Die Anfänge
Die Wurzeln des jüdischen Lebens in Sontheim reichen bis in das hohe Mittelalter: Im Zuge des sogenannten Rintfleisch-Pogroms 1298 waren auch Sontheimer Jüdinnen und Juden betroffen. Die Zahl der Todesopfer ist nicht bekannt. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg begann mit der Ansiedlung von Jüdinnen und Juden durch den Deutschen Orden eine kontinuierliche Entwicklung. 1692 lebten fünf jüdische Familien in Sontheim. Seit 1672 gab es auch eine Synagoge, seit 1716 einen Rabbiner. Für den Deutschen Orden als Landesherr in Sontheim brachte die Ansiedlung der Juden viele Vorteile, nicht zuletzt durch das Schutzgeld, das sie jährlich bezahlen mussten. Überdies sorgten wohlhabende Juden wie der „reiche Löwe“ Mayer Löw für wirtschaftliche Belebung. Er ließ sich 1789 in Sontheim nieder.
Die Synagoge am Judengängle
1773 wurde zwischen dem Deinenbach und dem Judengängle, eine neue Synagoge erbaut. Es war Simon, Sohn des Josef Wolf, der in seinem Haus eine Synagoge einbauen ließ und sie als Stiftung der israelitischen Gemeinde übergab. In der Nähe entstand eine Mikwe und einige Wohnhäuser im Quartier am „Judengängle“ waren in jüdischem Besitz. 1827 wurde die Synagoge abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.
Die 1910 renovierte Synagoge konnte beim Novemberpogrom durch das beherzte Einschreiten eines Kohlenhändlers gerettet werden. Sie diente nach dem Zweiten Weltkrieg als Wohnhaus, wurde jedoch 1985 im Zuge der Ortssanierung abgebrochen. Nur ein Gedenkstein erinnert heute noch an die Synagoge.
Bauliche Veränderungen
Die jüdische Gemeinde Sontheim wuchs von elf Familien im Jahre 1750 auf 220 Personen im Jahr 1856 an, von denen 70 in Horkheim und 50 in Heilbronn lebten. 1857 waren daher bauliche Veränderungen an der Synagoge vorgenommen worden, die die Gemeinde 600 Gulden kosteten. Der jüdischen Gemeinde Sontheim wurde hierfür ein Beitrag von 60 Gulden aus dem Reserve-Fonds der Staatskasse bewilligt.
Im 19. Jahrhundert
Die jüdische Gemeinde in Sontheim hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine große Bedeutung. Sie erhielt in den 1840er-Jahren einen eigenen Friedhof, nachdem die Toten vorher auf dem weit entfernten Affaltracher Friedhof beerdigt werden mussten. Auch die jüdischen Bürgerinnen und Bürger von Heilbronn zählten bis zur Errichtung einer eigenen Gemeinde zu Sontheim. Sie wurden bis zur Einrichtung des jüdischen Friedhofs in Heilbronn in Sontheim beerdigt.
Mitte des 19. Jahrhunderts lebten mehr als 100 Menschen jüdischen Glaubens in Sontheim. Ihre Zahl nahm dann jedoch schnell ab. Viele zogen in die nahegelegene Stadt Heilbronn. Auch der Aufschwung der von der jüdischen Fabrikantenfamilie Israel/Wolf in Sontheim betriebenen Schuhfabrik Wolf und Compagnie konnte daran nichts ändern.
Albert Güldenstein
Der Bildhauer Albert (Abraham Isaak) Güldenstein wurde am 3. Januar 1822 in Sontheim als Sohn des Kaufmanns Isak Michael und der Karoline Güldenstein, geb. Gressle, aus Affaltrach geboren. Das Grab der Eltern befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Sontheim. Nach der Schule in Sontheim absolvierte Güldenstein eine Lehre als Graveur in der Bruckmann´schen Silberwarenfabrik, 1840 begann er bei Professor Schwanthaler in München seine Ausbildung als Ziseleur. 1843 kam er nach Stuttgart. Für sein Relief „Sündflut“ erhielt er ein staatliches Stipendium zum Besuch der Kunstakademie in Berlin. 1846 gewann er dort den Preis der Michael-Beer-Stiftung, sodass er 1847/48 einen Studienaufenthalt in Rom anschließen konnte. Seit 1849 wohnte und arbeitete er in Stuttgart.
Seine Hauptwerke sind naturalistische Tierplastiken und tierplastische Applikationen an Kandelabern und Brunnen. In Heilbronn durfte er 1869 auf der Standsäule im Brunnen am Fleiner Tor die Figur „Die Heilbronnia“ aufstellen. 1904 zerfiel diese bei einem Sturm und wurde danach durch eine „Fortuna“ ersetzt.
Güldenstein erfreute sich der besonderen Gunst König Wilhelms I. von Württemberg, von dem er zahlreiche Aufträge für dessen Landhäuser erhielt. So schuf er für den Garten der Villa Berg einen Bronzebrunnen und für die Anlagen am Rosenstein Tiergruppen in Bronze, in der Wilhelma mehrere Tiergruppen in Marmor, die dort noch heute zu bewundern sind. Sehenswert ist die Pilgerstatue auf dem Heilbronner Alten Friedhof, Grabmal der Familie Pilger.
Albert Güldenstein starb am 25. Mai 1891 in Stuttgart. Er und seine zweite Ehefrau Rosalie, geb. Thalheimer, wurden auf dem israelitischen Teil des Pragfriedhofs beigesetzt. In Sontheim erhielt um 1930 eine Straße seinen Namen; sie wurde 1938 in Staehlenstraße umbenannt. 1955 wurde eine neue Straße, ebenfalls in dem Heilbonner Stadtteil, nach Albert Güldenstein benannt.
Das Ende der jüdischen Gemeinde
Eine jüdische Gemeinde bestand in Sontheim bis zum Jahr 1939. Nach 1933 lebten noch mehrere jüdische Familien im Ort selbst; an sie erinnern Stolpersteine vor den Häusern Deinenbachstraße 5, Hauptstraße 25, Parkstraße 33 und Hofwiesenstraße 25. Während des Nationalsozialismus wurden von den 1933 in Sontheim (ohne Landesasyl) lebenden 65 Jüdinnen und Juden zehn in den verschiedenen Lagern ermordet.
Die Bewohner des Landesasyls mussten im November 1940 das Gebäude verlassen; sie wurden vorübergehend im Haus des Arztes Dr. Julius Picard in der Lauffener Straße einquartiert und in den folgenden Monaten von dort teilweise in das Zwangsaltenheim in Eschenau verlegt oder direkt deportiert.
Die Debatte um den Abriss der Synagoge
Anfang der 1980er-Jahre erwarb die Stadt Heilbronn die ehemalige Sontheimer Synagoge. Sie sollte zusammen mit den Nachbargebäuden im Rahmen der Ortskernsanierung abgebrochen werden.
Es gab verschiedene Einwände gegen diese Pläne. Der evangelische Theologe und Experte für das jüdische Leben in Württemberg, Joachim Hahn, schrieb 1983 in einem Leserbrief in der „Heilbronner Stimme“: „Stellvertretend für die schon abgerissenen Häuser des alten Sontheims kann die ehemalige Synagoge ein bedeutendes Stück Geschichte für die Zukunft bewahren.“
Auch im Gemeinderat wurde der Abriss diskutiert, konnte aber am Ende nicht verhindert werden.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 201 c Bü. 23
Stadtarchiv Heilbronn A34-1938, F 001F-4139, F 247-89, F 3572-2, F 1092-84
Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 213–221.
Artikel zu Sontheim auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 21.11.2022].
Beschreibung des Oberamts Heilbronn. Hg. vom Statistisch-Topographischen Bureau. Stuttgart 1865.
Beschreibung des Oberamts Heilbronn. Hg. vom Statistischen Landesamt. 2 Bde. Stuttgart 1901/1903.
FRANKE Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050–1945). Heilbronn 1963 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 11).
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 196–198.
HAHN Joachim, Synagogen in Baden-Württemberg. Stuttgart 1987.
HUNDSNURSCHER Franz / TADDEY Gerhard, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Stuttgart 1968 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19).
LEIBROCK, Gerd, Ein Bildhauer aus Sontheim – Albert Güldenstein (1822–1891). In: Heilbronner Köpfe VII. Lebensbilder aus vier Jahrhunderten. Hrsg. von Christhard Schrenk (=Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 61), Heilbronn 2014, S. 91–110.
SCHRENK Christhard [u.a.]: Von Helibrunna nach Heilbronn. Eine Stadtgeschichte. Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 36).
SCHWINGHAMMER Gerhard / MAKOWSKI Reiner, Die Heilbronner Straßennamen. Hrsg. von der Stadt Heilbronn. Tübingen 2005.