Die Brettener Straße
Unter den zahlreichen Geschäftshäusern der Hauptdurchgangsstraßen in Eppingen fanden sich auch jüdische Geschäfte aller Art. Im Folgenden soll eine Auswahl der wichtigsten vorgestellt werden:
Brettener Straße 5: Tabakhandlung Samuel Bravmann: Samuel Bravmann (1880–1958) war seit 1903 im Hauptberuf jüdischer Religionslehrer an der Höheren Bürgerschule in Eppingen. In der Synagoge war er Chasan (Vorsänger). 1904 heiratete er die Eppingerin Regina Ettlinger (1882–1945). Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er in einer Zigarrenfabrik. Mit seinem Verdienst konnte Bravmann das Haus in der Brettener Straße 5 erwerben. Seine drei Kinder flohen 1934 in die USA und nach Palästina, die Eltern zögerten zunächst. Erst nachdem Samuel Bravmann 1938 verhaftet worden war und mehrere Wochen im Konzentrationslager Dachau interniert war, entschloss sich das Ehepaar, Eppingen zu verlassen. 1939 gelang ihnen die Flucht zu ihrer Tochter Ruth nach Palästina. 1945 starb Regina Bravmann in Jerusalem. Samuel Bravmann kehrte 1950 nach Deutschland zurück und starb 1958 in Heidelberg.
Brettener Straße 17: Bekleidungshaus Alfred Ehrlich, 1913-1929.
Brettener Straße 21: Die Landesprodukte- und Mehlhandlung Frank wurde von Wolf Frank gegründet und bestand über drei Generationen. Er übergab das Geschäft, das vor allem auf Vertrauen basierte, 1889 an seinen Sohn Julius Frank. Die Franks kauften von den Bauern der Gegend, vom Kraichgau bis ins Zabergäu, Getreide und verkauften an diese Futtergetreide und Mehl. 1918 wurde der Getreide- und Futtermittelhandel in eine Offene Handelsgesellschaft umgewandelt. 1933 übernahm der Sohn Arthur Frank offiziell das gut gehende Geschäft – was unter der nationalsozialistischen Herrschaft immer schwieriger wurde. Er fuhr regelmäßig mit seinem Auto, das den Pferdewagen seines Vaters ablöste, zu den Landwirten. Der Familie von Arthur Frank gelang es, 1937 in die USA zu emigrieren.
Brettener Straße 22: Lebensmittelgeschäft Levi Hochherr, ab 1905 Inhaber Gustav Hochherr (1872–1942), bis 1927. In dem Geschäftshaus war auch die Getreidehandlung des Hausbesitzers Aron Haber untergebracht. Haber starb 1919, 1920 wurde das Gebäude verkauft.
Brettener Straße 28: Tuchwarengeschäft Stern, Inhaberin Anna Ettlinger.
Brettener Straße 31: Warenhaus Samuel Weil: Im Gebäude an der Brettener Straße befand sich das Warenhaus von Samuel Weil. Der Inhaber gründete in den Nebengebäuden, hinter der Küfergasse, eine Schuhfabrik, was ihm den Spitznamen „Schlappen-Weil“ einbrachte. 1914 brannte die Fabrik ab, die etwa 300 Arbeiter beschäftigte. Die Verhandlungen mit der Stadt Eppingen um ein größeres Grundstück für die Fabrik, um das sich Weil schon vor dem Brand bemüht hatte, waren nicht sehr erfolgreich. Deshalb nahm er das bessere Angebot der Stadt Rastatt an, dort seine Fabrik auf viel größerem Gelände wiederaufzubauen. Der Erste Weltkrieg verhinderte vermutlich den sofortigen Umzug, doch in den 1920er-Jahren hatten „S. Weil & Söhne“ eine florierende Fabrik in Rastatt errichtet.
Brettener Straße 43: Kohle-, Baustoff- und Haushaltswarengeschäft Heinsheimer: Inhaber waren seit 1925 Nathan Marx zusammen mit seiner Frau Rosa, Tochter des Maier Heinsheimer (1855–1913). Letzterer war 1873 in die USA ausgewandert, war aber 1879 mit seiner Familie wieder zurückgekehrt, da sein Vater Isaak, Besitzer des Geschäfts, sehr stark erkrankt war. Nachfolger wurde sein Sohn Maier Heinsheimer, der es bis zu seinem Tod 1913 innehatte. Nathan und Rosa Marx führten es bis 1938. Rosa emigrierten mit ihrer Tochter Hanna in die USA.
Brettener Straße 63: (Ecke Mühlbacher Straße): Lebensmittelgeschäft Salomon Hochherr (1865–1901). Nach dessen Tod führte seine Witwe Thekla Hochherr, geb. Flegenheimer (1869–1927), das Geschäft weiter.
Brettener Straße 71a: Viehhandlung Alfred Schleßinger.
Die Bahnhofstraße
Bahnhofstraße 32–34: Die Tabakgroßhandlung Gebr. Hochherr wurde von den Brüdern Gustav & Moritz Hochherr ab 1912 bis 1927 gemeinsam geführt. Ein Brand hatte die Fruchthalle beim Bahnhof mitsamt aller Tabakprodukte vernichtet und Gustav Hochherr zog nach Heidelberg. Moritz Hochherr (geb. 1867 in Berwangen) wohnte im Gebäude Bahnhofstraße 34, das auch die Post beherbergte. Ein übler Hetzartikel im nationalsozialistischen Kampfblatt „Der Stürmer“ im Jahr 1936 empörte sich darüber, dass „ein Jude in einem staatlichen Gebäude wohnen“ könne. Das Ehepaar Hochherr verließ Eppingen 1938 und zog nach Karlsruhe, in der Hoffnung, dort ein ruhigeres Leben in der Anonymität führen zu können. Doch auch sie wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs in Südfrankreich deportiert.
Moritz Hochherr starb am 3. Juli 1941 im Lager Rivesaltes bei Perpignan, seine Ehefrau Marie entging der Deportation nach Auschwitz und überlebte im Lager. Ihre Tochter und deren Kinder starben in Auschwitz. Nach Kriegsende konnte Marie Hochherr zu ihren Nichten in die USA auswandern.
Berches aus Eppingen
Die Bäckerei Stier in Eppingen, Altstadtstraße 20, bäckt jeden Freitag Berches in Zopfform (Schabbat-Brote).
Literatur
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 59–67.
HAHN, Joachim, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, hrsg. von der Kommission für Geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg und dem Innenministerium Baden-Württemberg. Stuttgart 1988.
HEITZ, Michael, Jüdisches Leben im Kraichgau am Beispiel der ehemals kurpfälzischen Stadt Eppingen im 19. und 20. Jahrhundert, Diplomarbeit, Pädagogische Hochschule Heidelberg. Heidelberg 2001.
HÜLL Felix, Es ist meine Pflicht, ihre Geschichte zu erzählen. Das Schicksal einer badischen Landjudenfamilie (Familie Arthur und Werner Frank). In: Eppingen - Rund um den Ottilienberg. Beiträge zur Geschichte der Stadt Eppingen und Umgebung Bd. 3, Eppingen 1985, S. 100 ff.
RÖCKER Bernd, Maximilian Heinsheimer (1832-1892). Richter, Autor juristischer Studien, Kommunalpolitiker. In: HEITZ Michael / RÖCKER Bernd (Hrsg.), Jüdische Persönlichkeiten im Kraichgau. Ubstadt-Weiher 2013, S. 119 ff.
SCHÖN Petra, Familie Hochherr. Fabrikanten (Berwangen, Massenbachhausen, Eppingen, Walldorf). In: HEITZ Michael / RÖCKER Bernd (Hgg.), Jüdische Persönlichkeiten im Kraichgau. Ubstadt-Weiher 2013, S. 133 ff.