Jüdischer Kulturweg

Die Synagoge Heinsheim

Stadt Bad Rappenau

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Petra Schön

Die Synagoge Heinsheim

1796 wurde diese Synagoge als einfacher Bau errichtet, nachdem die Heinsheimer Judenschaft auf 13 Familien angewachsen war. Dies wurde von der adeligen Ortsherrschaft gewährt, weshalb das Gebäude auf einem „freyherrlich Racknizischen condominal herrschaft zinsbaren Garten Plaz“ gebaut werden sollte. Die christlichen Nachbarn protestierten vergeblich dagegen. Sie fühlten sich in ihrer Ruhe gestört, da sie „nunmero das tägliche Geplärr der Juden anhören“ mussten, wie sie respektlos den Gesang des Vorsängers nannten. Ein Betsaal oder eine Synagoge bestand aber bereits um 1600, ab 1738 in einem von Mayer Joseph erworbenen Haus.
Bis zu Beginn der NS-Zeit war die Zahl der Jüdinnen und Juden in Heinsheim bereits stark zurückgegangen. Die jüdische Gemeinde wurde am 8. November 1937 aufgelöst, die Synagoge am 17. Januar 1938 an den örtlichen Landwirt August Kühner verkauft. Dieser war den letzten verbliebenen Jüdinnen und Juden freundlich gesonnen und hatte diesen bis zuletzt Lebensmittel abgegeben. In der Pogromnacht im November 1938 wurden fünf jüdische Wohnungen geplündert und zerstört. Die Synagoge blieb unversehrt. Dies lag nicht daran, dass sie inzwischen einem Nichtjuden gehörte, sondern soll einem Mann zu verdanken sein, der die Aufforderung nicht ausführte, das Gebäude mit dem dafür bereitgestellten Benzin in Brand zu setzen.

Aus der Genisa der Heinsheimer Synagoge: Titelblatt von Pirkei Awot (Sprüche der Väter) von 1767/68 aus Fürth.

Das Gebäude diente ‒ äußerlich kaum verändert ‒ seitdem als Schlosserwerkstatt. Über dem Eingang ist ein Hochzeitsstein zu sehen mit dem Erbauungsjahr 1796. Die beiden hebräischen Buchstaben in der Mitte des Davidsternes (מ und ט) stehen für „masel tov“, was „Gut Glück“ bedeutet. Die anderen Buchstaben stehen für ein Bibelzitat aus Jeremia 33,11: „Die Stimme der Wonne und die Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut“.

Eingang der Synagoge um 1970, als sie noch als Werkstatt genutzt wurde. Freundeskreis Ehemalige Synagoge Heinsheim.

2012 gründete sich der „Freundeskreis Ehemalige Synagoge Heinsheim“. Dieser erwarb 2013 das Gebäude, um es vor dem Verfall zu retten. 2021 wurden die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen, und die Fundstücke aus der Heinsheimer Genisa kehrten hierher zurück. Eine Genisa bezeichnet eine Aufbewahrungsstätte für Schriftstücke mit dem Gottesnamen, die nicht entsorgt werden dürfen. Diese befindet sich meist im Dachboden oberhalb des Aron haKodesch, der Tora-Nische. Unter dem Motto „Erinnerung | Dialog | Kultur“ soll die Ehemalige Synagoge Heinsheim ein Haus der Begegnung sein.

Die zerknüllten Reste aus der Genisa der Heinsheimer Synagoge. Foto: Hans-Heinz Hartmann.

Weiterführender Text

Synagoge und Schule

Ein Betsaal oder eine Synagoge bestand bereits um 1600. 1738 war eine Synagoge in einem von Mayer Joseph erworbenen Haus eingerichtet worden. Nur vorübergehend existierten eigene Beträume für die Jüdinnen und Juden der beiden Ortsherren, dem Deutschen Orden und der Adelsfamilie von Racknitz. 1681 legten die beiden Ortsherrschaften fest, dass der Deutsche Orden drei und die von Racknitz sechs jüdische Familien aufnehmen dürften. Diese Anzahl wurde jedoch immer wieder überschritten.
1796 wurde in Heinsheim eine neue Synagoge nach dem Vorbild von Freudental und Michelbach an der Lücke errichtet, jedoch ist das Gebäude einfacher gehalten und wesentlich kleiner (Standort Schlossgasse 3/1). Nach den Wünschen der Heinsheimer Juden hätte sie als „tempelförmiger Bau“ wie die Synagoge in Olnhausen gebaut werden sollen, was jedoch die Ortsherrschaften nicht gestatteten. In der Synagoge wurde „gemeinschaftliche Schule“ gehalten, das Gotteshaus wurde also von den Jüdinnen und Juden beider Ortsherrschaften besucht. Eine größere Reparatur war aufgrund von Bauschäden 1818 nötig geworden.
Heinsheim spielte auch für die Wimpfener Juden eine wichtige Rolle, die hier die Gottesdienste besuchten und auch ihr Begräbnis hatten.

Der Heinsheimer Marktplatz auf einer Postkarte. Links sind das Haus des August Wolfgang Osterberger und seine Küferei zu sehen, dahinter die Synagoge, um 1917. Sammlung Christoph Abel.

Haus der Begegnung

Nach einer umfangreichen Sanierung, wobei die Außentreppe zur Frauenempore nicht rekonstruiert wurde, konnte das heutige Haus der Begegnung am 30. September 2021 eröffnet werden. Es führt unter dem Motto „Erinnerung–Dialog–Kultur“ Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen. Zu den Veranstaltungen gehören ein Tora-Lernkreis, Vortragsreihen, Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und Seminare sowie Schul- und Vereinsführungen. Letztere führen auch zum jüdischen Verbandsfriedhof bei Heinsheim.

Synagoge Heinsheim im Jahr 2021; das Nebengebäude wurde im Zuge der Restaurierungsarbeiten neu errichtet. Foto: Bernd Göller.

Der Hochzeitsstein

Der Hochzeitsstein (Chuppastein) über dem Synagogeneingang weist das Baujahr 1796 und hebräische Buchstaben auf. Am Ende einer Trauungszeremonie steht traditionell das Zertreten eines Glases. In den süddeutschen jüdischen Gemeinden zertrat der Bräutigam jedoch nicht das Glas, sondern er zerschmetterte es an diesem Stein. 

Hochzeitsstein mit einem Segenswunsch für das Brautpaar.
Foto: Bernd Göller.

Die Genisa

Während der Renovierung des Gebäudes, die im Frühjahr 2021 abgeschlossen wurde, tauchten verschiedene Ausstattungsgegenstände wieder auf: ein einfaches Lesepult, Türschloss und -beschläge und hölzerne Emporenstützen. Im selben Jahr kehrten auch die Fundstücke aus der Heinsheimer Genisa in das Synagogengebäude zurück. Eine Genisa bezeichnet eine Aufbewahrungsstätte, in der beschädigte oder abgenutzte Schriftstücke mit dem Gottesnamen aufbewahrt wurden, bevor man sie auf dem Friedhof begrub. Die Genisa ist meist im Dachboden oberhalb des Aron haKodesch, des Toraschreins, untergebracht.

In der Nordwestecke des Dachbodens der ehemaligen Synagoge wurde die Genisa entdeckt. Foto: Hans-Heinz Hartmann.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Bereits zu Beginn der NS-Zeit war die Zahl der Heinsheimerinnen und Heinsheimer jüdischen Glaubens stark zurückgegangen. Die jüdische Gemeinde wurde am 8. November 1937 aufgelöst, die Synagoge an den örtlichen Landwirt August Kühner verkauft. In der Pogromnacht im November 1938 blieb die Synagoge unversehrt. Die Mikwe (rituelles Bad), die 1831/32 neben der von Racknitzschen Kelter hinter der katholischen Kirche neu erstellt worden war, war bereits 1935 an die katholische Kirchengemeinde verkauft worden.

Blick in den Innenraum der restaurierten Synagoge.
Foto: Ulrike Plapp-Schirmer.

Berches aus Heinsheim

Die Bäckerei Hofmann in Heinsheim, Neckarstraße 30, bäckt jeden Freitagvormittag Berches (Schabbat-Brote) nach alten Rezepten.

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Literatur:

ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 101–109.
Artikel zur Synagoge Heinsheim auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 09.07.2021].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 33–35.
HARTMANN Hans-Heinz, Genisa-Funde in der ehemaligen Heinsheimer Synagoge. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Jg. 16, 2005, S. 13–15.
PETZOLD Rudolf, Die Jüdische Gemeinde Heinsheim. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Jg. 25, 2015, S. 73–81.