Jüdischer Kulturweg

Der jüdische Verbandsfriedhof Heinsheim

Stadt Bad Rappenau

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Bernd Göller

Der jüdische Friedhof

Der Heinsheimer Friedhof im Gewann Schlierbach wurde spätestens im 16. Jahrhundert angelegt. Wie viele jüdische Begräbnisstätten liegt er außerhalb der Ortschaft. In der Südostecke des Friedhofes gab es ein Tahara-Haus für die rituelle Reinigung der Toten.
Als Verbandsfriedhof wurde er zeitweise von bis zu 25 jüdischen Gemeinden aus der Region zwischen Eppingen, Mosbach und Bad Wimpfen genutzt. Die erhaltenen 1.152 Grabsteine und Fragmente entstammen dem Zeitraum von 1598 bis 1937. Nachdem in mehreren Orten des ehemaligen Einzugsgebietes eigene Friedhöfe entstanden waren, ging die Zahl der Bestattungen in Heinsheim stark zurück.

Der jüdische Friedhof in Heinsheim gehört zu den größten in Süddeutschland. 1718 wurde er mit einer Mauer statt eines Zauns
umgeben. Foto: Rudolf Prach.

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten sollte der jüdische Friedhof eingeebnet und der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Seine Grabsteine sollten „nutzbringend“ verwendet und das schmiedeeiserne Eingangstor der Rüstungsindustrie zugeführt werden. Ein 1944 zugunsten der politischen Gemeinde Heinsheim abgeschlossener Kaufvertrag wurde jedoch nicht ins Grundbuch eingetragen. Die Spuren mutwilliger Schändung aus dieser Zeit kann man heute noch an einigen Grabsteinen erkennen.
Nach Ende des „Dritten Reiches“ mussten Vertreter der örtlichen NSDAP zur Wiederherstellung antreten. Der Bestand blieb aber im Großen und Ganzen unversehrt.

Der älteste Grabstein auf dem Heinsheimer Friedhof des Zwi Juda, Sohn des Mosche, der am 6.9.1598 verstorben ist. Foto: Bernd Göller.

Links: Grabstein mit dem Symbol der Leviten-Kanne für Josef Kaufmann (Juspa, Sohn des Meschullam haLevi) aus Binau, gest. am 2. Kislev 5590 (28.11.1829). Rechts: Grabstein mit dem Segensgestus der Kohanim für Moses (Mosche) Altmann aus Mosbach, mit 11 Jahren verstorben am 6. Sivan 5626 (20.5.1866). Fotos: Ulrike Plapp-Schirmer.

Weiterführender Text

„Von uhralten unerdenklichen Zeiten her“

Der jüdische Verbandsfriedhof bei Heinsheim ist einer der größten und kunstgeschichtlich interessantesten jüdischen Friedhöfe in Deutschland. Aus einem Bericht aus dem Jahre 1713 geht hervor, dass dieser Begräbnisplatz bereits „von uhralten unerdenklichen Zeiten her“ bestand. Eine Reihe von stilistischen Merkmalen an den ältesten Grabsteinen weist auf das 16. Jahrhundert hin.
Den Platz für diesen Verbandsfriedhof stellte die Grundherrschaft in Heinsheim zur Verfügung. Die Zahlung eines Erbzinses und etliche andere Abgaben (zum Beispiel der „Sterbehandlohn“) sowie die Einhaltung weiterer Auflagen waren als Gegenleistung von den Verbandsgemeinden zu erbringen.
1718 wurde der Zaun, der bis dahin den Friedhof umgeben hatte, durch eine Mauer ersetzt. Die gut erhaltenen Grabsteine spiegeln den Wandel in der jüdischen Bestattungskultur über die Jahrhunderte wider. So werden den zunächst ausschließlich auf Hebräisch abgefassten Grabinschriften später auch deutsche Inschriften hinzugefügt, meist auf der Rückseite. Zudem gewannen die Steine durch Ornamente und Symbole an gestalterischem Wert. Letztere geben häufig Hinweise auf Beruf oder Abstammung der Verstorbenen.

Grabstein des Schächters, Fleischbeschauers und Schofarbläsers Billigheimer Mayer (Meir) aus Rappenau; er verstarb am 5. November 1860. Foto: Rudolf Prach.

Ein Ort der ewigen Totenruhe

Der Verbandsfriedhof bildet den geografischen Mittelpunkt eines Einzugsgebietes, dessen Radius ca. 25 km beträgt. Jüdische Begräbnisplätze – so auch in Heinsheim – wurden meist außerhalb der Ortschaften auf landwirtschaftlich nicht genutzten Flächen angelegt. Oft wurden als Standorte Wiesen in Waldstücken, Feldraine oder leichte Abhänge gewählt. Auf solch einer Waldwiese, nahe am Schlierbach, wurde auch der Heinsheimer jüdische Friedhof angelegt. Als Orte der ewigen Totenruhe – nach jüdischer Tradition dürfen Gräber nicht neu belegt und Grabsteine nicht entfernt werden – zählen die Friedhöfe zu den wichtigsten Einrichtungen jüdischer Gemeinden. Bäche oder Quellen konnten für die rituelle Reinigung der Toten im Tahara-Haus genutzt werden. Ein solches bestand in der Südostecke des Heinsheimer Friedhofs.

Prachtvolle Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Heinsheim, der vom 16. Jahrhundert bis 1937 genutzt wurde. Foto: Alexander Weide.

Das Ende des Verbandsfriedhofs

Der Begräbnisplatz war eine wichtige Einnahmequelle für die adelige Ortsherrschaft. Erst 1857 wurden die Abgaben abgelöst und der Friedhof ging in das Eigentum der jüdischen Begräbniskongregation Heinsheim über. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor er zunehmend an Bedeutung, und die Zahl der Bestattungen ging stark zurück, nachdem in mehreren Orten des ehemaligen Einzugsgebietes eigene Friedhöfe entstanden waren. So konnten sich zum Beispiel die Angehörigen der jüdischen Gemeinden in Eppingen seit 1818, in Ittlingen seit 1887 und in Wimpfen seit 1896 die weiten und beschwerlichen Wege nach Heinsheim ersparen. Als letzte Jüdin wurde die am 11. Januar 1937 verstorbene Jeanette Strauss auf dem Friedhof bestattet.
Heute befindet sich der Friedhof im Eigentum der israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Die Pflege hat die Stadt Bad Rappenau übernommen.

Grabstein von Jeanette Strauss. Als letzte Jüdin wurde die am 11. Januar 1937 Verstorbene auf dem Friedhof bestattet. Foto: Rudolf Prach.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten, die alles jüdische Leben auszulöschen trachteten und die meisten Zeugnisse jüdischer Kultur vernichteten, sollte auch der Heinsheimer jüdische Friedhof aus dem Ortsbild verschwinden. Von mutwilliger Schändung und Zerstörung einzelner Grabstellen berichtet der Zeitzeuge Hermann Bach, dessen Vater zu jener Zeit Pfarrer in Heinsheim war. Zu weiten Teilen blieb der Bestand jüdischer Grabsteinkultur jedoch unversehrt. Umweltverschmutzung und saurer Regen haben den Grabsteinen – vor allem denen aus dem Sandstein der nahegelegenen Steinbrüche von Mühlbach bei Eppingen – in den letzten fünfzig Jahren jedoch stark zugesetzt.

Besucherinfo

Der Friedhof ist in der Regel geschlossen, jedoch ist ein Schlüssel gegen Kaution unter folgender Adresse erhältlich: Stadt Bad Rappenau, Bürgerbüro, Kirchplatz 4. Tel.: 07264 / 922-0.
Führungen auf dem jüdischen Friedhof Heinsheim finden in unregelmäßigen Abständen statt. Die Termine entnehmen Sie bitte dem Veranstaltungskalender. Bei Fragen können Sie sich an die Gäste-Information wenden, Tel.: 07264 922-391. Die Teilnahme an den Führungen kostet 6 Euro pro Person, Gästekarteninhaber bezahlen 5 Euro. Die Führungen werden bei jeder Witterung durchgeführt, festes Schuhwerk ist empfehlenswert. Männliche Besucher müssen eine Kopfbedeckung tragen. An jüdischen Feiertagen darf die Anlage nicht betreten werden.

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Grabstein der Chaja, Frau des Judl aus Rappenau, gest. am 7. Juli 1712. Foto: Bernd Göller.
Grabstein des Ahron, gest. am 1. April 1747, Sohn des Mosche Meir Segal aus Gundelsheim. Foto: Bernd Göller.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 101–109.
Artikel zum jüdischen Friedhof Heinsheim auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 09.07.2021].
GÖLLER Bernd / HÜTTENMEISTER Gil / PRACH Rudolf / HABERZETTL-PRACH Tanja, Der Jüdische Friedhof in Bad Rappenau-Heinsheim. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Jg. 24, 2014, S. 4–17; Jg. 25, 2015, S. 2–25; Jg. 27, 2017, S. 77–92; Jg. 28, 2018, S. 54–66; Jg. 29, 2019, S. 58–72; Jg. 30, 2020, S. 55–57.
GÖLLER Bernd, Der Jüdische Friedhof Rappenau. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Jg. 20, 2010, S. 4–6; Jg. 21, 2011, S. 2–5; Jg. 22, 2012, S. 2–6.
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 33–35.
PETZOLD Rudolf, Die Jüdische Gemeinde Heinsheim. In: Bad Rappenauer Heimatbote. Jg. 25, 2015, S. 73–81.