Jüdischer Kulturweg

Die Synagoge Eschenau

Gemeinde Obersulm

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Samuel Jakob Stern

Die Synagoge – Treutlinger Straße 9

1797 erhielt die angewachsene jüdische Gemeinde ihr eigenes Gemeindezentrum; bis dahin hatte sie die Affaltracher Synagoge mitbenutzt. Die neue Synagoge mit Vorsängerwohnung, Schulraum und Frauenbad wurde 1904 verkauft und ist heute Privathaus. Die Gemeinde war im 19. Jahrhundert von einem Höchststand mit 115 Seelen im Jahr 1845 auf nur noch 19 im Jahr 1900 geschrumpft.
Da es immer schwieriger wurde, den für einen Gottesdienst benötigten Minjan (mindestens zehn erwachsene Juden) zusammenzubringen, schloss man 1890 wieder einen Vertrag mit der jüdischen Gemeinde Affaltrach.

Das Baujahr und die hebräische Inschrift ließen sich noch bis in die 1980er-Jahre am Türsturz des Eingangs ablesen: יובן שלמה את הבית („Und Salomo baute das Haus“, 1. Könige 6,14). Foto: Heilbronner Stimme/Sabine Friedrich.

Weiterführender Text

Differenzen um die Synagoge

Zwischen den Eschenauer und Affaltracher Juden kam es immer wieder zu Differenzen um die Synagogenbenutzung. 1795 konnte schließlich ein Grundstück in der Reitgasse 4, heute Treutlinger Straße 9, zum Bau einer Synagoge erworben werden. Der Vertrag wurde vom Lehrensteinsfelder Rabbiner und neun Eschenauer Juden unterschrieben. In einem zweistöckigen Wohnhaus sollte der erste Stock als Synagoge, der untere Stock als Wohnung des Vorsängers und Schullehrers und gleichzeitig als Schulraum für die israelitische Konfessionsschule dienen. Im Keller befand sich die Mikwe. Die Synagoge wurde 1797 fertiggestellt. Der Türsturz des Eingangs zur Synagoge zeigte noch bis in die 1980er-Jahre neben der Jahreszahl 1797 eine hebräische Inschrift, die an ihre frühere Bestimmung erinnert:
יובן שלמה את הבית – „Und Salomo baute das Haus“ (sc. den Tempel; 1. Könige 6,14). Die zusätzlichen hebräischen Buchstaben ergeben mit denen, die durch einen Punkt gekennzeichnet sind, das Erbauungsjahr nach dem hebräischen Kalender.

Inschrift über dem Eingang der Synagoge Eschenau von 1797. Foto: Jüdische
Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. Hrsg. vom Oberrat der israelitischen
Religionsgemeinschaft Württembergs. Stuttgart 1932 S. 73.

Die Neuorganisation der israelitischen Religionsgemeinden in Württemberg 1832 teilte die jüdische Gemeinde Eschenau als Filiale der jüdischen Gemeinde Affaltrach zu. Da die Eschenauer Juden jedoch vor allem die möglichen finanziellen Belastungen bei einem Synagogenneubau in Affaltrach befürchteten, protestierten sie energisch. 1834 wurde ihnen dann ein eigener Filialgottesdienst zugestanden. Ein 1839 erfolgter Umbau der Synagoge ermöglichte die Aufstellung weiterer Männerstühle. 1843 gehörten zum Inventar sechs Torarollen, je 26 Betpulte sowohl für die Männer als auch für die Frauen, eine Kanzel, eine Bima (Vorlesepult) sowie die Bekleidung der Zehngebetsrollen und der Bima.
1849/50 wurde die Verbindung zwischen den Gemeinden Eschenau und Affaltrach wieder gelöst, nachdem 1847 ein Vertrag über die Beteiligung der Eschenauer Juden am Synagogenneubau in Affaltrach zustande gekommen war.

Ehemalige Synagoge Eschenau, um 1965. Aus: Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale. Hrsg. von der Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1966, Abb. 39, Foto: Th. Nebel.

Renovierung und Verkauf

1864 war eine umfassende Renovierung der Synagoge in Eschenau erforderlich, auch das Äußere des Gebäudes entsprach „nicht mehr dem eines Gotteshauses“. Nachdem man ein Kapital von 700 Gulden angespart hatte, konnten 1865 die Renovierungsarbeiten begonnen und teilweise vollendet werden. Die Instandsetzungsmaßnahmen kosteten insgesamt 1.509 Gulden, wozu man einen Staatsbeitrag von 150 Gulden erhalten hatte.
In dem im März 1890 geschlossenen Vertrag mit der Affaltracher Gemeinde legte man zum einen fest, dass der Affaltracher Vorsänger jeden zweiten Schabbat und je am zweiten Feiertag einen Gottesdienst in Eschenau halten sollte. Zum anderen wurde den Eschenauer Jüdinnen und Juden zugestanden, dass sie ohne besondere Vergütung den Gottesdienst in Affaltrach besuchen könnten, wenn sich in Eschenau kein Minjan mehr finden sollte. Schließlich konnten die Eschenauer Frauen auch das rituelle Bad in Affaltrach benutzen.
1904 wurde das Synagogengebäude an Heinrich Rohrbach verkauft. Nachdem das Gebäude mehrere Umbauten erfahren hat, ist es heute ein Wohnhaus, dem man seine Vergangenheit als Synagoge nicht mehr ansieht. Von der Innenausstattung hat sich nur der Opferstock erhalten, der am Treppenaufgang zum Betsaal angebracht war. Er befindet sich heute im Museum zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn in der ehemaligen Synagoge Affaltrach.

Zedaka-Büchse (Opferstock), die ursprünglich am Treppenaufgang zum Betsaal der Synagoge Eschenau stand. Heute befindet sie sich im Museum in der ehemaligen Synagoge in Affaltrach. Foto: Hannah-Lea Wasserfuhr, 2021.

Die jüdische Gemeinde

Seit dem 17. Jahrhundert sind Jüdinnen und Juden in Eschenau nachweisbar. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts bestanden nähere Verbindungen zur jüdischen Gemeinde Affaltrach, wo die Eschenauer auch ihr Begräbnis hatten. Eine jüdische Gemeinde bestand bis 1900, danach bildeten die Affaltracher und Eschenauer Juden bis 1938 eine gemeinsame Gemeinde.
1807 zählte Eschenau 55 jüdische Einwohnerinnen und Einwohner, 1831 bereits 84. Aus Eschenau stammt auch der Rechtskonsulent Moritz Kallman, der 1849 als erster Jude in den Heilbronner Gemeinderat gewählt wurde. Die jüdischen Einwohner betrieben um die Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich Viehhandel. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging ihre Zahl durch Aus- und Abwanderung stark zurück. Von den sieben 1933 noch verbliebenen jüdischen Personen verstarb Julie Rothschild (geb. 1857) hier im November 1934, die fünfköpfige Familie Dames wanderte 1936 über Österreich nach Palästina aus und Hedwig Weißburger wurde am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert, wo sie ermordet wurde.

Schutzbrief für Daniel Moses Levi: Der ledige Schuzjuden Sohn Daniel Moses/Levi von Berlichingen, O(ber) A(mt) Künzelsau, ist/der nachgesuchte Schuz in Eschenau gnädigst/ertheilt worden, welches ihm zu eröfnen/ist. Weinsberg d(en) 19. Apr(il) 1817./OberAmt D. Spittler. Gemeindearchiv Obersulm EsA 43.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Gemeindearchiv Obersulm / Ortsarchiv Eschenau EsA 43

Literatur:
ABENDSCHEIN Ludwig / NOLLER Heinrich, Heimatbuch Eschenau. Eschenau 1984, S. 326–327.
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 67–72.
Artikel zu Eschenau auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 16.05.2021].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 360-362.
RITTER Martin, Die jüdische Gemeinde Eschenau. In: Obersulm. Sechs Dörfer – eine Gemeinde. Hrsg. von der Gemeinde Obersulm. Obersulm 1997, S. 335–345.
SAUER Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale. Hrsg. von der Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1966.