Jüdischer Kulturweg

Das Gasthaus „Rose“ Eschenau

Gemeinde Obersulm

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Monika Kolb

Das Gasthaus „Rose“ – Bei der Wette 2

Das stattliche Fachwerkhaus Bei der Wette 2 war zeitweise ein jüdisches Gasthaus. 1910 ließ der Metzger und Gastwirt Max Rothschild die Schankgerechtigkeit hierher übertragen, nachdem das gegenüberliegende Haus, das die „Rose“ beherbergt hatte, abgebrannt war. Bis 1936 wurde die „Rose“ von dem Ehepaar Rothschild bzw. seiner Tochter Lina und ihrem Ehemann Simon Dames aus Wien geführt, ehe sie an die Spar- und Darlehenskasse und die Milchverwertungsgenossenschaft verkauft werden musste. Die Familie Dames wanderte über Wien nach Palästina aus.

Die „Rose“: Der Eingang befand sich ursprünglich auf der Westseite und wurde durch eine Steintreppe erschlossen. Daneben war ein Schlachthaus, wo auch Tiere geschächtet wurden. Foto: Heilbronner Stimme/Sabine Friedrich.

Weiterführender Text

Eine „jüdische Wirtschaft“

Aus Anlass der Annahme jüdischer erblicher Familiennamen 1828 wurde in dem Verzeichnis aller damals selbstständig lebenden Israeliten in Eschenau der Rosenwirt Moses Mendel (geb. am 22. November 1791, gest. am 5. April 1868) aufgeführt, der den Familiennamen Lindner annahm. Zu dieser Zeit zählte der Ort neben dem Gasthaus „Rose“ noch vier weitere Schildwirtschaften und zwei Gassenwirtschaften. Ursprünglich lag die „Rose“ an der Ecke der heutigen Kirchgasse und der Treutlingerstraße. 1908 wurde sie durch einen Brand völlig zerstört. Der in Eschenau geborene Metzger und Gastwirt Max Rothschild (geb. am 25. März 1846, gest. am 18. Dezember 1924) erwarb den Brandplatz und errichtete darauf ein Geschäftshaus.

Grabstein des Metzgers und Wirts Max Rothschild und seiner Ehefrau Julie auf dem Jüdischen Friedhof Affaltrach. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II Nr. 66144 Bild 1.

Das neue Gasthaus „Zur Rose“

Noch heute ist am Gebäude Bei der Wette 2 über der ehemaligen Eingangstür eine Inschrift mit den Initialen I. T. L. und C. S. L. und dem Erbauungsjahr 1800 zu sehen. Der Eingang befand sich ursprünglich auf der Westseite und wurde durch eine schöne doppelläufige Steintreppe erschlossen.

Über dem früheren Eingang des Gasthauses „Rose“ befindet sich die Inschrift mit den Initialen des Erbauerehepaars. Foto: Markus Kress.

Die Inschrift erinnert an die Erbauer, den späteren Schultheißen Tobias Laukhuf und dessen Ehefrau Catharina, geborene Diez. In dem neben der „Rose“ stehenden Schlachthaus, das 1937 zu einer Milchsammelstelle umgebaut wurde, wurden des Öfteren auch Tiere geschächtet.
Die Gaststätte wurde zunächst von Max Rothschild und seiner Ehefrau Julie (geb. am 27. Oktober 1857, gest. am 26. November 1934) betrieben. Als Max Rothschild 1924 verstarb, führten Julie und deren Tochter Lina die „Rose“ weiter, bis sie schließlich 1929 an Christian Mahl verpachtet wurde. Nachdem Mahl am 15. Juni 1931 wegzog, beabsichtigten Julie Rothschild und ihre Tochter Lina Dames die Wirtschaft wieder selbst zu übernehmen. Lina Dames wurde die Wirtschaftserlaubnis am 6. Juli 1931 erteilt. Ab 1. März 1934 war die „Rose“ samt Nebenraum und drei weiteren Zimmern dann an Gottlob Häcker, Müller von Schozach, verpachtet. Die Wirtschaftskonzession hatte Häcker am 22. März 1934 erhalten.

Lina und Simon Dames

Das Gebäude selbst gehörte nach dem Tod von Julie Rothschild ihrer Tochter Lina und deren Ehemann, dem aus Wien stammenden Kaufmann Simon Dames, mit dem sie seit 1923 verheiratet war. Linas Bruder Hugo (geb. 1888), Vizefeldwebel und Träger des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse sowie der Württembergischen Goldenen Verdienstmedaille, war im Ersten Weltkrieg gefallen.
Simon und Lina Dames hatten vier Kinder: Regina, Selma, Manfred und Julie. Zeitweilig betrieben die Eheleute Dames die Gastwirtschaft gemeinsam weiter. Simon handelte seit 1931 außerdem etwa die Hälfte des Jahres über mit Weißwaren. 1936 entschloss sich die Familie Dames, Eschenau zu verlassen und die „Rose“ zu verkaufen. Lina zog mit ihren vier Kindern nach Wien, wo sich ihr Mann bereits aufhielt. 1939 wanderte die gesamte Familie schließlich nach Palästina aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhob Dames Wiedergutmachungsforderungen, die durch einen Vergleich beigelegt wurden.
Am 9. November 1988 – 50 Jahre nach dem Novemberpogrom – folgten die drei Schwestern Dames einer Einladung der Gemeinde Obersulm aus Anlass der Einweihung des Museums zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn in der ehemaligen Synagoge Affaltrach.

Poesiealbum von Helga Selz mit Einträgen von Selma und Regina Dames, Töchter von Lina und Simon Dames, Wien 1939. Museum Synagoge Affaltrach Nr. 2019075.

Der Verkauf

Da schon seit 1935 unter der Einwohnerschaft die Absicht bestand, eine Weingärtnergenossenschaft zu gründen und die Realisierung wegen des Fehlens der erforderlichen Kellerräume nicht möglich war, hatten einstweilen die Spar- und Darlehenskasse und die Milchverwertungsgenossenschaft „zwecks leichterer Finanzierung“ das Wirtschaftsanwesen am 22. Juni 1936 um 14.700 Reichsmark gemeinschaftlich käuflich erworben. Dabei gingen die Erwerber davon aus, dass die Wirtschaft erhalten bleiben sollte und die Weine der neu zu gründenden Genossenschaft dort zum Ausschank kommen sollten, um dadurch den einheimischen Qualitätswein zu fördern. Die Verkäufer erhielten das Recht, bis zum 2. Februar 1937 in den seither benützten Räumen des Anwesens unentgeltlich zu wohnen.

Ansichtskarte (Ausschnitt) mit Gasthaus „Zur Rose“, 1930er-Jahre. Kreisarchiv Heilbronn, Sammlung Wolfgang Domesle.

Auf 1. Februar 1939 kündigte der Pächter Gottlob Häcker seinen Miet- und Pachtvertrag, da er beabsichtigte, nach Weinsberg umzuziehen. Am 15. Februar 1939 stellte Karl Ott den Antrag auf Erteilung der Wirtschaftserlaubnis für die von ihm gepachtete Wirtschaft „Zur Rose“.
Die Gemeinde Eschenau erwarb 1952 das Wirtschafts- und Wohngebäude, in das sie eine Kleinkinderschule einrichtete. Heute befinden sich in dem ortsbildprägenden Gebäude neben Wohnungen auch eine Arztpraxis. Die Scheune und Milchsammelstelle gelangte ebenfalls 1952 in den Besitz der Milchverwertungsgenossenschaft Eschenau und wurde nach dem Kauf durch die Gemeinde 1982 abgebrochen.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Gemeindearchiv Obersulm / Ortsarchiv Eschenau EsA 344, EsA 995–996, EsB 32, EsB 164 und Bauakten
Kreisarchiv Heilbronn, Sammlung Wolfgang Domesle
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien
Vermessungsamt Heilbronn, Primärkataster Eschenau, Bd. 1, angelegt 1838

Literatur:
ABENDSCHEIN Ludwig / NOLLER Heinrich, Heimatbuch Eschenau. Eschenau 1984, S. 326–327.
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 67–72.
RITTER Martin, Die jüdische Gemeinde Eschenau. In: Gemeinde Obersulm (Hg.), Obersulm. Sechs Dörfer – eine Gemeinde. Obersulm S. 335–345.