Jüdischer Kulturweg

Der israelitische Friedhof Heilbronn Im Breitenloch

Stadt Heilbronn

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Dr. Anna Aurast

Der israelitische Friedhof Heilbronn Im Breitenloch

Ende 1865 beschloss die Heilbronner Gemeinde einen eigenen Friedhof anzulegen, da die Zahl ihrer Mitglieder bereits ein Jahr zuvor auf 369 Personen angewachsen war. Im Oktober 1861 hatte die Israelitische Oberkirchenbehörde in Stuttgart deshalb den Status als eigenständige Gemeinde genehmigt. Davor wurden die jüdischen Heilbronner Toten auf dem am 4. November 1841 eingeweihten Verbandsfriedhof in Sontheim bestattet.
Die Heilbronner Gemeinde erwarb von der königlich württembergischen Domänendirektion ein 65 Ar großes Grundstück Im Breitenloch am Fuße des Wartbergs. Der Entwurf der Anlage mit einem Leichen- und Bethaus in der Mitte orientierte sich am jüdischen Friedhof in Mannheim. Die Stadt beteiligte sich mit einem Fünftel an den Kosten und baute die Straße zum Friedhofseingang aus. Am 31. Juli 1868 wurde der israelitische Friedhof Im Breitenloch feierlich eröffnet.
1942 wurde von Zwangsarbeitern der Feuerwehr unter dem Friedhof ein Stollen als Luftschutzbunker gegraben. Der Stollen führte von der Raffeltersteige aus bis elf Meter unter den Friedhof, er war zwei bis drei Meter breit und mit Stempelhölzern abgestützt. Während des Krieges soll in diesem Schutzraum ein Feuerwehrkommando untergebracht gewesen sein, nach 1945 wurde der Stollen zugeschüttet.

Plan zur Vergrößerung der Leichen- und Bethalle (Taharahaus), gefertigt 1890, die aufgrund starker Schäden im Zweiten Weltkrieg abgebrochen wurde (Ausschnitt). StadtA HN A034-1679.

Rund 850 Bestattungen sind auf dem Friedhof Im Breitenloch nachgewiesen, 515 Grabsteine sind erhalten. Ein Hauptweg führt von Westen nach Osten. Im vorderen nördlichen Teil ist das Feld für die Kindergräber angelegt, unter diesen befindet sich der älteste erhaltene Grabstein: Ein Kindergrab für den am 15. September 1868 gestorbenen Adolf Max Gumbel.
Rund 70 Prozent der Inschriften auf den Grabsteinen sind sowohl in deutscher als auch hebräischer Sprache abgefasst, nur ganz wenige sind ausschließlich auf Hebräisch. Da jeder Tote nach jüdischer Tradition einen Grabstein erhalten sollte, übernahm dort, wo es keine Angehörigen gab, die Gemeinde oder die Chewra Kaddischa (Verstorbenen-Fürsorge) das Setzen eines Steins. Auf dem Friedhof Im Breitenloch gibt es dafür nur drei erkennbare Beispiele, wie etwa für den am 4. Dezember 1897 verstorbenen Synagogendiener Julius Kraft (Grab 140).

Blick auf den Friedhof Im Breitenloch; in der Mitte das Grab des Louis (Jehuda) Steigerwald (1844–1901). Foto: Stadtarchiv Heilbronn/B. Kimmerle.

Einige Grabsteine weisen jüdische Symbole auf, wie etwa den Davidstern, die Levitenkanne, den priesterlichen Segensgestus der Kohanim und das Schofarhorn, das zu bestimmten Feiertagen geblasen wird. Darüber hinaus sind etliche Doppelgrabsteine von Ehepaaren in ihrer Form den Bundestafeln nachempfunden. Eine größere Zahl von Grabsteinen zeigt allgemeine Trauersymbole sowie Architekturelemente und Schriftformen, die dem jeweils aktuellen Zeitgeschmack entsprachen.
Auf dem Friedhof sind unter anderem die angesehenen Heilbronner Rabbiner Dr. Moses Engelbert (gest. 1891), Ludwig Kahn (gest. 1914) und Dr. Max Beermann (gest. 1935) bestattet. Im neueren Teil befindet sich auch das Grab von Otto Kirchheimer. Der 1905 in Heilbronn geborene bedeutende Staatsrechtslehrer und Verfassungswissenschaftler starb 1965 in Washington D.C., wurde jedoch in seiner Geburtsstadt bestattet. Diesen Bereich des Friedhofs nutzt auch die wieder bestehende jüdische Gemeinde heute für ihre Bestattungen.

Das Kriegerdenkmal

Dort, wo sich die vor 1945 zerstörte Leichen- und Bethalle befand, steht heute das Kriegerdenkmal für die 29 im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten der Gemeinde. Das von dem Stuttgarter Architekten Eugen Mäckle entworfene und von dem Heilbronner Bildhauermeister Karl Graeter ausgeführte schlichte Denkmal wurde am 5. September 1920 auf dem nördlichen Friedhofsteil eingeweiht.

Kriegerdenkmal für die 29 im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten der Gemeinde mit Wartberg im Hintergrund in einer Aufnahme von 1964. StadtA HN F011gelb-F-201101348, Fotograf: Friedrich Friederich.

Zum Gedenken

Im April 1984 wurde am Friedhofseingang ein 1983 von Heilbronner Bürgern gestifteter Gedenkstein für die hiesigen Opfer der Shoah enthüllt. Am noch nicht belegten Ostende des Friedhofs erinnert seit 1987 ein ebenfalls durch Spenden finanziertes, drei Meter hohes Mahnmal an die 235 Heilbronner Juden, die durch das NS-Regime ums Leben kamen und nennt ihre Namen.
Im Frühjahr 1943 wurden am Ostenende des Friedhofs vier bis sechs Leichen beerdigt. Wer diese Toten waren, ist bis heute unbekannt. Vielleicht stammen sie von einem Transport, der durch Heilbronn führte. Auch die Lage des Grabes kann nur ungefähr bestimmt werden. Im Frühjahr 1984 setzte eine Bürgerinitiative diesen unbekannten Menschen einen Gedenkstein.

Mahnmal mit den Namen der 235 Heilbronner Jüdinnen und Juden, die durch das NS-Regime ums Leben kamen. Foto: Stadtarchiv Heilbronn/B. Kimmerle.

Eingang zum jüdischen Friedhof Im Breitenloch in Heilbronn, 2022. Foto: Margrit Elser-Haft.
Gedenktafel am Gedenkstein für die jüdische Gemeinde und die Opfer der NS-Diktatur. Foto: Margrit Elser-Haft.
Kriegerdenkmal für die 29 im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten der Gemeinde. Foto: Margrit Elser-Haft.
Blick auf den jüdischen Friedhof Heilbronn Im Breitenloch. Foto: Stadtarchiv Heilbronn/B. Kimmerle.
Grabstein für Rosalie und Albert Eisig auf dem jüdischen Friedhof Im Breitenloch in Heilbronn. Foto: Margrit Elser-Haft.
Grabstein für Isaak und Güta Gumbel auf dem jüdischen Friedhof Im Breitenloch in Heilbronn. Foto: Margrit Elser-Haft.
Die segnenden Hände der Kohanim vor einem Davidstern, Detail eines Grabsteins. Foto: StadtA HN F011gelb-F-201101349, Fotograf: Friedrich Friederich.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien
Stadtarchiv Heilbronn A034-1679; F001e-20190206; F011gelb-F-201101348; F011gelb-F-201101349

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 91–101.
Artikel zu Heilbronn auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 10.05.2021].
FRANKE Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zu der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050-1945) (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 11). Heilbronn 2011. [1963]; Link öffnen.
SCHRENK Christhard (Hg.), Jüdisches Leben in Heilbronn. Skizzen einer tausendjährigen Geschichte. Heilbronn 2022.