Jüdischer Kulturweg

Spuren jüdischer Geschichte im Haus der Stadtgeschichte in Heilbronn

Stadt Heilbronn

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Dr. Anna Aurast

Der Gedenkstein für Nathan den Vorsteher

Der Deutschhof spielte auch unabhängig von der aktuellen Ausstellung eine Rolle in der jüdischen Geschichte Heilbronns. Mitte des 19. Jahrhunderts war im heutigen Gebäude der Volkshochschule neben dem Schwurgerichtssaal auch ein Betsaal untergebracht, welcher der wachsenden Gemeinde bald keinen ausreichenden Platz mehr bot. Nach einem kurzen Intermezzo in der Klosterkirche des Klaraklosters konnte 1877 die große Synagoge eingeweiht werden.
In der ständigen Ausstellung des Heilbronner Hauses der Stadtgeschichte finden sich mehrere Objekte, die als wichtige Zeugen für die jüdische Geschichte in Heilbronn zu werten sind, unter anderem auch der Gedenkstein für Nathan den Vorsteher.

Der „Nathanstein“ ist nach fast einem Jahrtausend noch gut lesbar. StadtA HN E020-30.

Das älteste Zeugnis einer jüdischen Ansiedlung in Heilbronn, der sogenannte „Nathanstein“, stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Er war über einer Nische im Gewölbekeller des Hauses Lohtorstraße 22 (der ehemaligen „Judengasse“) eingesetzt. Der Kellerraum war durch einen unterirdischen Gang mit einem weiteren Kellerraum im Kieselmarkt 1 nahe dem jüdischen Friedhof verbunden, in welchem steinerne Waschbecken standen und der traditionell als das „Judenbad“ bezeichnet wurde. Ob der Kellerkomplex als jüdisches Ritualbad (Mikwe) oder als Totenwaschraum diente, kann nicht eindeutig bestimmt werden.
Der „Nathanstein“ trägt die hebräische Inschrift נתן הפרנס (Nathan haParnas), was „Nathan der Gemeindevorsteher“ bedeutet. Warum der Stein diese Inschrift trägt, ist bis heute nicht zweifellos geklärt. Möglicherweise erbaute oder finanzierte der Vorsteher Nathan das Gebäude.

Die jüdische Gemeinde in Mittelalter und Früher Neuzeit

Die mittelalterliche jüdische Gemeinde war im Bereich der heutigen Lohtorstraße und damit am Rande der hochmittelalterlichen Siedlung ansässig. Dieser Zeit, nämlich der Mitte des 11. Jahrhunderts,  entstammte wohl die erste Synagoge. Sie wurde während des Rintfleisch-Pogroms 1298 zerstört, dem allein in Heilbronn 143 Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Die Pestpogrome von 1349 hatten zur Folge, dass die jüdische Gemeinde vollends ausgelöscht wurde. Die zweite Synagoge wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet, nachdem sich Juden erneut in der Stadt niedergelassen hatten. Direkt neben der Synagoge befand sich der erste jüdische Friedhof an der Stelle des späteren Kieselmarkts. Der zweite jüdische Friedhof wurde „uff unserm wasen bey den garten“ nach 1415 angelegt. Dieser lässt sich im Gebiet auf dem linken Neckarufer vor dem ehemaligen Brückentor lokalisieren, jedoch ist eine exakte Verortung des Friedhofs auf dem 18 x 49 Meter großen Areal nicht möglich.
1469 beschloss der Heilbronner Rat, Jüdinnen und Juden aus der Stadt auszuweisen. Wir wissen von zwei Juden, die ab 1527 die Stadt betreten durften: der Arzt Gumprecht von Löwenstein und dessen Bruder Seligmann von Wimpfen. 1531 bat der Rat Gumprecht sogar, in der Stadt tätig zu sein, nachdem dieser die Tochter des Heilbronner Bürgermeisters Peter Kistenmacher geheilt hatte.

Die Hervorhebungen zeigen die Infrastruktur der jüdischen Gemeinde auf dem heutigen Stadtplan. Stadtarchiv Heilbronn.

Die NS-Zeit – das jähe Ende der jüdischen Gemeinde

Diese bunte Glasvase kaufte ein Mädchen 1938 im Kaufhaus Wohlwert in der Sülmer Straße 9-11. Sie musste nicht viel dafür bezahlen, da das Kaufhaus nach der Pogromnacht zwangsgeschlossen wurde. Diesem Beispiel von Unterdrückung und finanzieller Ausbeutung in der NS-Zeit war bereits am 1. April 1933 der Boykott jüdischer Geschäfte vorangegangen. Die Chronik der Stadt Heilbronn berichtet folgendermaßen darüber: „In ganz Deutschland findet ein von der NSDAP gesteuerter Boykott jüdischer Geschäftsleute, Rechtsanwälte und Ärzte statt. Auch in Heilbronn postieren sich SA- und SS-Leute mit Spruchbändern, auf denen Parolen wie ‚Die Juden sind unser Unglück‘ oder ‚Kauft nicht beim Juden‘ stehen, vor den Eingängen der Läden, deren Besitzer Juden sind, um die Bevölkerung am Einkauf dort zu hindern. Viele der Betroffenen halten ihre Geschäfte überhaupt geschlossen.“ Man kann sich vorstellen, wie diese verbrecherischen Maßnahmen das Klima in der Stadt vergifteten.

Glasvase aus dem Kaufhaus Wohlwert in der Sülmerstraße 9–11. StadtA HN E003-338.

Auch die Heilbronner Synagoge fiel der Zerstörungswut der Nationalsozialisten zum Opfer. Sie wurde jedoch erst einen Tag nach der Pogromnacht am frühen Morgen des 10. November 1938 in Brand gesetzt und zerstört. Fünf in Bleiruten eingefasste bunte Glasscheiben mit floralen Motiven haben sich erhalten, die einzigen übriggebliebenen Fensterfragmente der Synagoge. Der Heilbronner Wilhelm Rücker hatte die Glasscheiben nach dem Synagogenbrand auf der Straße aufgehoben und viele Jahre aufbewahrt, bevor sie 1988 an die Stadt Heilbronn übergeben wurden. Als Leihgabe der städtischen Museen gelangten diese 2012 in die Ausstellung.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Stadtarchiv Heilbronn E003-338, E020-30

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 91–101.
Artikel zu Heilbronn auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 10.05.2021].
FRANKE Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zu der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050-1945) (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 11). Heilbronn 2011. [1963]; Link öffnen [Abruf am 10.05.2021].
JUNG Norbert, Von Kahn zu Kult: unsere Nachbarin – die Zigarre. Ein Beitrag zur Geschichte der Heilbronner Bahnhofsvorstadt. Heilbronn 2009.