Jüdischer Kulturweg

Die Synagoge Ittlingen

Gemeinde Ittlingen

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Ulrich Kattermann

Die Synagoge – ein Versammlungsraum

Am 9. November 2018, dem 80. Jahrestag der Pogromnacht, wurde eine Gedenktafel an die Zerstörung der Ittlinger Synagoge in der Mühlgasse 36 enthüllt. Dies erfolgte im Rahmen einer Gedenkstunde der Gemeinde Ittlingen zusammen mit dem örtlichen Heimatverein.

Die 1805 erbaute Ittlinger Synagoge mit deutlichen Spuren der Zerstörung vom 9. November 1938. Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 99/001 Bü. 305 Nr. 852 Bild 1.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im gesamten Deutschen Reich jüdische Gotteshäuser, Friedhöfe und Geschäfte zerstört, geschändet und geplündert. Auch in Ittlingen wurde die Synagoge zerstört. Das durch hohe Sakralfenster gekennzeichnete Gebäude wurde zunächst schwer beschädigt und noch im November bis auf die Grundmauern abgebrochen.
Die Synagoge in der Mühlgasse war keineswegs der erste Gebetsraum der Ittlinger jüdischen Gemeinde. Schon im Jahr 1686 erwähnte der damalige Ortspfarrer eine „Schul und Synagoge“ in der Nähe des alten Rathauses. Der Versammlungsraum – das altgriechische Wort „Synagoge“ meint ursprünglich ganz allgemein eine Versammlung – war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in einem Privathaus untergebracht. Dessen spätere jüdische Eigentümer gerieten mit den übrigen Gemeindemitgliedern in Streit, da sie über die Platzverteilung im Gottesdienst bestimmen wollten. Wie in christlichen Kirchen wurde die Sitzordnung auch bei Gottesdiensten in Synagogen sehr wichtig genommen.

Auszug aus einem Ruggerichtsprotokoll vom 22. Oktober 1686. Generallandesarchiv Karlsruhe 69 von Gemmingen-Gemmingen A 543.

Das Verhältnis zwischen den Konfessionen war nicht immer ungetrübt. In diesem Fall beschwerte sich der Ittlinger Pfarrer Johann Jacob Majer unter anderem über Juden, die angeblich Lärm verursachten.

Der lange Weg bis zur Mühlgasse

Die Bemühungen der Mehrzahl der Gemeindeglieder um den Ankauf eines Bauplatzes für den Neubau einer Synagoge führten schließlich in der Mühlgasse zum Erfolg, auch wenn sich die politische Gemeinde sehr dagegen sträubte. Ein daraufhin erwogener Rücktritt vom Kaufvertrag seitens der jüdischen Gemeinde wurde von den Ortsherren in Gemmingen jedoch nicht genehmigt, da sich diese Steuereinnahmen aus dem Verkauf und Neubau versprachen. Die Herren von Gemmingen übten auch Druck auf die Bürgerschaft aus, der jüdischen Gemeinde eine freie Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen. Daraufhin wurde die Synagoge im Jahr 1805 in der Mühlgasse gebaut. Erst 1888 versuchten zwei Bürger, die badischen Behörden für ein Einschreiten gegen die jüdische Gemeinde zu bewegen, da Treppenstufen der Synagoge auf den Gehsteig reichten. Das Innenministerium entschied 1900 jedoch zugunsten der jüdischen Gemeinde.
So lange ein Minjan – die Anwesenheit von mindestens zehn religiös mündigen Männern – erreicht wurde, fanden Gottesdienste in der Synagoge statt. Wann genau der letzte Gottesdienst in Ittlingen gefeiert wurde, ist nicht bekannt; offiziell wurde die Gemeinde 1937 aufgelöst. Die Synagoge war auch der Raum für den Religionsunterricht, den Unterricht in hebräischer Sprache und Schrift und wurde als solcher noch bis zu seiner Zerstörung genutzt.

Die Synagoge (Flst. 435) war zwischen der evangelischen Kirche und der Mühle (Flst. 533) an der Elsenz situiert. Ausschnitt aus dem Gemarkungsatlas. Vermessungsamt Heilbronn.

Gedenken

Schon 1988 war ein erster Gedenkstein errichtet worden, der dann verschwand. Er erinnerte an die Synagoge und die einstige jüdische Gemeinde. Jüdinnen und Juden sind in Ittlingen erstmals in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg namentlich genannt. Da die Ittlinger Dorfordnung von 1556 schon Juden betreffende Regelungen enthält, lebten möglicherweise schon im 16. Jahrhundert einzelne Juden im Ort. Deren Anzahl stieg von fünf Familien (1722) auf 16 (1762), welche hauptsächlich vom Vieh-, Pferde- und Fruchthandel lebten. 1809 gab es 15 jüdische Familien mit insgesamt 75 Personen, die sich nun überwiegend als Not- und Trödelhändler betätigten. Mit 163 Jüdinnen und Juden wurde im Jahr 1864 ein Höchststand erreicht. Durch die danach einsetzende starke Ab- und Auswanderungsbewegung schrumpfte die Gemeinde auf 113 Mitglieder im Jahr 1900 bzw. 37 im Jahr 1933.

An die Synagoge erinnert nur noch diese Steintafel, geschaffen von Steinmetz Michael Herberth (Fa. Pisot Grabmale, Kirchardt). Foto: Margrit Elser-Haft.

Auf der mit Knochensteinen gepflasterten Parkfläche im Winkel zwischen dem Gebäude mit hohem, unverputztem Giebel und der alten Scheune mit Bruchsteinwand stand die Synagoge.
Dieser Gedenkstein für die in der Pogromnacht geschändete und dann abgebrochene Synagoge von 1988 ist nicht mehr vorhanden. Foto: Eva Maria Kraiss.
Nur wenig hat sich von der jüdischen Gemeinde erhalten: Gebetbuch aus dem Besitz des Kaufmanns
Josef Wimpfheimer. Gemeindearchiv Ittlingen.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Generallandesarchiv Karlsruhe 69 von Gemmingen-Gemmingen A 543
Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 99/001 Bü. 305 Nr. 852 Bild 1
Vermessungsamt Heilbronn
Gemeindearchiv Ittlingen

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 115–121.
Artikel zur jüdischen Gemeinde Ittlingen auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 01.08.2021].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 227–229.
HUNDSNURSCHER Franz / TADDEY Gerhard, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale. Stuttgart 1968.
Museum zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn: Katalog / [Hrsg. Landkreis Heilbronn. Konzeption und Bearbeiter Wolfgang Angerbauer]. Heilbronn 1989, S. 53.
KRAUSS Martin, Ittlingen: vom späten 19. bis ins frühe 21. Jahrhundert. Ubstadt-Weiher u.a. 2023, S. 84–122.
NEUWIRTH Gustav, Geschichte der Gemeinde Ittlingen. Ittlingen 1980.
SCHÖNFELD Wolfgang, Ittlingen: Spuren jüdischen Lebens, Familienschicksale. Eppingen 2023.