Zur Vorgeschichte
Seit der Ausweisung der Jüdinnen und Juden aus der Reichsstadt Heilbronn im Jahr 1469 existierte bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine jüdische Gemeinde in der Stadt. Nachdem das „Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen“ von 1828 die Ansiedlung von Juden an Orten, an denen bis dahin keine israelitische Gemeinde bestand, gestattet hatte, zogen Juden vermehrt nach Heilbronn. Kirchenbehördlich gehörten die in die Stadt zugezogenen Juden zur Gemeinde in ehemals deutschordischen Sontheim. Unter der Leitung von Liebmann Strauß hatte sich in Heilbronn bereits 1857 der Israelitische Wohltätigkeitsverein als erster jüdischer Zusammenschluss formiert, bevor sich die Gemeinde 1861 gründete. So entstand nach fast vierhundert Jahren wieder eine eigenständige israelitische Gemeinde in Heilbronn.
Die wachsende Gemeinde brauchte bald einen geeigneten Raum für die Religionsausübung. Kurz nach der Neugründung der Gemeinde richtete man daher den ersten provisorischen Betsaal in der Rappengasse (heute Hasengasse) im Haus von Gustav Meinhold ein. Bald danach zog die Gemeinde in einen Raum im Mittelbau des Deutschhofs um, der jedoch zum Schwurgerichtssaal umgebaut werden sollte und deshalb bald wieder geräumt werden musste; nacheinander folgende Wechsel in die ehemalige Klosterkirche des Klaraklosters und wieder in den Deutschhof folgten.
Bereits 1861 weihte die jüdische Gemeinde Heilbronn eine Torarolle ein, welche Moritz Ullmann, Mitglied des ersten Gemeindevorstands, gestiftet hatte. Weitere Torarollen kamen im Laufe der Jahre hinzu. Als erster Rabbiner fungierte kurz Dr. Elkan Weinmann, Bezirksrabbiner aus Lehrensteinsfeld. Sein Nachfolger Dr. Moses Engelbert erreichte 1867 die Verlegung des Bezirksrabbinats von Lehrensteinsfeld nach Heilbronn.
Die Synagoge – eines der schönsten Bauwerke der Stadt
Da die jüdische Gemeinde in den 1860er Jahren sehr stark wuchs – 1864 zählte sie 369 Gemeindemitglieder, 1871 bereits 610 –, wurde die Frage nach einem geeigneten Gotteshaus besonders dringlich. 1865 beschloss man, eine neue Synagoge zu bauen und dafür ein Grundstück an der Südseite der Allee zu erwerben. Aufgrund von Kontroversen innerhalb der Gemeinde konnte dieses erst 1871 gekauft werden. Als Architekten konnte die Heilbronner Gemeinde den Stuttgarter Baurat Adolf Wolff gewinnen, nach dessen Plänen bereits zuvor Synagogen in Stuttgart, Ulm und Nürnberg errichtet worden waren.
Der Bau des Gotteshauses dauerte knapp vier Jahre. Am 8. Juni 1877 wurde das repräsentative, im orientalisierenden Stil errichtete Gebäude vom Rabbiner Dr. Moses Engelbert feierlich eingeweiht. Dieser Stil war zur damaligen Zeit besonders für Synagogenbauten sehr populär. Die Heilbronner Synagoge zählte zu den schönsten Bauten der Stadt.
Eine imposante Erscheinung
Das Gebäude – ein dreischiffiger Langbau mit fünf Kuppeln, Walmdächern und einer Zweiturmfassade – war aus Heilbronner Sandstein erbaut. Es war 35 Meter lang und 21,5 Meter breit. Die Höhe betrug inklusive der Hauptkuppel 38 Meter. Im Inneren auf der Westseite trug eine Empore die Orgel, die trotz des Widerstandes der orthodoxen Gemeindemitglieder in Auftrag gegeben worden war. In den beiden Seitenschiffen befand sich eine Frauenempore, die über zwei Treppenhäuser erreichbar war. An der Ostseite waren eine Kanzel und der Toraschrein (Aron haKodesch). Oberhalb des Eingangs für Männer schmückte ein großes Rosettenfenster die Westfassade. Nicht einmal das Postgebäude, das zu Beginn der 1930er-Jahre auf dem Grundstück nördlich der Synagoge errichtet werden sollte, sollte die imposante Erscheinung des Gotteshauses an der Allee schmälern. Man einigte sich darauf, dass die Post zwei Meter nach hinten versetzt werden sollte und keine Vordächer haben durfte, um den Blick auf die Synagoge nicht zu verstellen.
Das 50-jährige Bestehen der Heilbronner Synagoge wurde 1927 mit einem Festakt und einer Festschrift gefeiert. Ein Jahr später übernahm die Stadt den bis dahin privaten Synagogenweg zwischen Friedensstraße und Allee südlich der Synagoge, der im Volksmund als Synagogengässchen bezeichnet wurde.
Die Pogromnacht
Die Synagoge blieb von den Ereignissen des Jahres 1938 nicht verschont: Am 10. November fiel diese dem Hass und der Zerstörungswut der von der nationalsozialistischen Propaganda aufgehetzten Bevölkerung zum Opfer. Sie wurde in Brand gesetzt und geplündert. Am 30. November 1938 kaufte die Stadt Heilbronn das Synagogengrundstück der Israelitischen Kultusgemeinde ab. Letztlich bezahlte die Stadt nichts, denn sie verlangte von der jüdischen Gemeinde 10.000 Reichsmark für die Beseitigung der Trümmer und bot gleichzeitig dieselbe Summe für das Grundstück. Die Ruine wurde schließlich 1940 vollständig abgetragen.
Der Max-Beermann-Platz
Nach dem Krieg und dem Schrecken der Schoa wurde das Grundstück zunächst an die IRSO (Jewish Restitution Successor Organization Inc.) zurückgegeben, die es an den jüdischen Kinobetreiber Ludwig Stern aus Heilbronn-Neckargartach weiterverkaufte. Er erbaute hier 1949 die „Scala-Lichtspiele“. 2001 wurde der hintere Teil des Kinos abgerissen. An dieser Stelle befindet sich heute ein Parkplatz. Versuche, das stehengebliebene Gebäude des Kinos auf dem Synagogengrundstück als Räume für die neue jüdische Gemeinde zu nutzen, scheiterten bisher. Der dahinterliegende Uhlandplatz wurde 2021 grundlegend umgestaltet, und seitdem ehrt die Stadt den Heilbronner Rabbiner Dr. Max Beermann mit der Umbenennung dieses Ortes bei seinem ehemaligen Wirkungsort – der Heilbronner Synagoge.
Eine Skulptur des Gedenkens
Vom Max-Beermann-Platz führt der Synagogenweg zur Allee 4, wo das Gotteshaus stand. Seit 1993 befindet sich hier eine Skulptur der Künstlerin Bettina Bürkle, die einer der ausgebrannten Synagogenkuppeln nachempfunden ist und als Mahnmal an die im Zuge der Pogromnacht im November 1938 zerstörte Heilbronner Synagoge erinnern soll. Jedes Jahr wird hier während des Chanukka-Festes ein neun Lichter tragender Chanukka-Leuchter errichtet und während des acht Tage dauernden Fests jeden Tag mit Hilfe des neunten Lichtes ein weiteres zum Leuchten gebracht.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Stadtarchiv Heilbronn F001N-383; F001F-4487,7; F001 N-198303021; F001-N 198400671; F001e 20200326
Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 91–101.
Artikel zu Heilbronn auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 10.05.2021].
FRANKE Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zu der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050-1945) (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 11). Heilbronn 2011. [1963]; Link öffnen [Abruf am 10.05.2021].
JUNG Norbert, Von Kahn zu Kult: unsere Nachbarin – die Zigarre. Ein Beitrag zur Geschichte der Heilbronner Bahnhofsvorstadt. Heilbronn 2009.