Jüdischer Kulturweg

Die Freiherren von Massenbach: Jüdisches Leben seit dem 16. Jahrhundert

Stadt Schwaigern

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Hannah-Lea Wasserfuhr 

Die Freiherren von Massenbach: Jüdisches Leben seit dem 16. Jahrhundert

Wahrscheinlich lebten bereits Mitte des 16. Jahrhunderts vorübergehend Juden in der ritterschaftlichen Herrschaft der Freiherren von Massenbach. Privilegien von Kaiser Karl V. aus den Jahren 1556 und 1565 erlaubten diesen, Juden aufzunehmen. Dafür hatten die jüdischen Familien Schutzgeld und andere Abgaben an die Herrschaft zu entrichten. Die kaiserlichen Privilegien könnten wieder an Bedeutung gewonnen haben, da seit Beginn des 18. Jahrhunderts vermehrt jüdische Familien in Massenbach lebten. 1713 hören wir, dass der Jude Mayer von Massenbach nach Massenbachhausen zog, und 1717 wohnte mit Lazarus eine jüdische Familie im Ort, die den Herren von Massenbach Schutzgeld und Hauszins für ihre Wohnung in einem herrschaftlichen Haus zahlte. Im Archiv der Freiherren von Massenbach findet sich ein nicht datierter Bauplan für die Erstellung einer herrschaftlichen Judenwohnung für acht Haushaltungen, die jüdischen Familien gegen Miete und Dienste zur Verfügung gestellt werden sollten. Das Gebäude ist möglicherweise identisch mit dem alten Bauteil eines Gebäudes hinter dem Nordflügel des Schlosses.

Auszüge aus Privilegien Kaiser Karls V. von 1556 und 1565, die es Wilhelm von Massenbach erlaubten, jüdische Familien bei sich am Ort wohnen zu lassen. Archiv der Freiherren von Massenbach.

Während die meisten Jüdinnen und Juden in Massenbach in bescheidenen Verhältnissen lebten, erreichte die Familie Behr als einzige einen gewissen Wohlstand: Der Handelsmann Herz Behr und seine Söhne erwarben 1797 für über 50.000 Gulden von den Herren von Massenbach den Wilhelmstaler Hof, den sie schon 1820 wieder verkauften. Um 1796 stiftete Herz Behr den Bau einer Synagoge. Zuvor hatte es in Massenbach seit 1720 einen Betsaal gegeben. Gleichzeitig förderte er auch die christliche Kirche des Ortes mit 1.000 Gulden. Aus dieser Familie stammt auch der 1799 in Wien zum kaiserlichen Hoffaktor ernannte Kaufmann Elias Behr. Er hatte während der Koalitionskriege Waren und Heereslieferungen (z.B. Mehl, Hafer, Spelz, Heu und Futterstroh) für die kriegerischen Auseinandersetzungen gegen Frankreich beschafft.

Links: Plan für acht „Juden Wohnungen“ von Peter Weilbacher. Von jedem Eingang gingen zwei Wohnungen mit Stube, Kammer und Küche ab. Seitlich endete das Gebäude jeweils mit einem Viehstall. Archiv der Freiherren von Massenbach. Rechts: Der kleine eingeschossige Teil dieses Gebäudes hinter dem Nordflügel des Schlosses könnte identisch sein mit dem „Judenbau“. Foto: Margrit Elser-Haft.

Der Hoffaktor Elias Baer

Elias Baer (1755‒1835), vermutlich identisch mit Hertz Baer (Behr), wurde 1799 in Wien zum kaiserlichen Hoffaktor ernannt. Hoffaktor war seit dem 14. Jahrhundert die Bezeichnung für den bekannten Hofjuden. Er war vor allem für die Erledigung wirtschaftlicher Aufgaben zuständig, als Hofbankier trat er besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg in Erscheinung. Der Hoffaktor hatte gegenüber den anderen Schutzjuden eine privilegierte Stellung, er konnte sogar in den Beamtenstatus aufgeniommen werden, und lebte mit seiner Familie am Hof.

Akte betreffend den Kaiserlichen Hoffaktor Elias Baer, Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Reichskanzlei Agententitel 1-4-2.

Gesuch des Elias Baer um Ernennung zum Kaiserlichen Hoffaktor (28. März 1799), Blatt 1.

Gesuch des Elias Baer um Ernennung zum Kaiserlichen Hoffaktor (28. März 1799), Blatt 2.

Gesuch des Elias Baer um Ernennung zum Kaiserlichen Hoffaktor (28. März 1799), Blatt 3

Ausweis über die von der Lieferungs Comagnie Mayer Löw von Sontheim und Elias Bär von Massenbach vom 26. Februar bis 13. Juni 1796 gelieferten Naturalien.

Elias Baer von Massenbach wird beurkundet, dass derselbe während des „Französischen Krieges“ Hauptlieferungen an die kaiserlich-königlichen Armeen zur vollkommensten Zufriedenheit bestritten hat (12. März 1799).

„Zumeist arme und unvermögende Juden“

Früher existierte am Ort ein Flurname „Judenkirchhof“, der aber heute unbekannt ist. Möglicherweise bezieht er sich auf eine jüdische Begräbnisstätte früherer Jahrhunderte (16. Jh.?). Die Toten der Gemeinde wurden in den jüdischen Friedhöfen inWaibstadt und Heinsheim, später auch in Schluchtern beigesetzt. Im 19. Jahrhundert beabsichtigte die jüdische Gemeinde, einen eigenen Friedhof anzulegen und kaufte dazu Gelände im Gewann „Hetzenkopf“ oder „Kleines Feldle“. Dieser Plan wurde jedoch nicht umgesetzt.
Die Zahl der jüdischen Familien erhöhte sich bis 1746/47 auf fünf und 1748/49 auf sieben. Deputierte der bürgerlichen Gemeinde Massenbach beschwerten sich 1749 bei Wilhelm von Massenbach über die Aufnahme von „zumeist armen und unvermögenden Juden“. Zum Schaden der Gemeinde hätte die Ortsherrschaft zudem für jährlich drei Gulden den Salzhandel an einen Handelsjuden verpachtet. Erfolg hatten die Gemeindedeputierten mit ihrer Beschwerde jedoch nicht. Am 25. August 1790 wurde jedoch fünf Schutzverwandten der Schutz aufgekündigt, weil der Ort überbelegt sei. Kinder vom vierten bis elften Lebensjahr wurden nach „Massenbacher Gewohnheit“ von einem Judenschulmeister unterrichtet, der in Schriftquellen aus dem 18. Jahrhundert auch als „Rabbi“ belegt ist.
Mit dem Ende des Alten Reichs wurde der seit dem späteren 16. Jahrhundert beim Kanton Kraichgau der freien Reichsritterschaft immatrikulierte Ort von Württemberg mediatisiert.

Plan für acht „Juden Wohnungen“ von Peter Weilbacher. Von jedem Eingang gingen zwei Wohnungen mit Stube, Kammer und Küche ab. Seitlich endete das Gebäude jeweils mit einem Viehstall. Archiv der Freiherren von Massenbach.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Archiv der Freiherren von Massenbach
Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 213 Bü. 5804
Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Reichskanzlei Agententitel 1-4-2
Universitätsarchiv Heidelberg UAH M9 Matrikel 1825‒1840

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 146–160.
Artikel zu Massenbach auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 15.10.2020].
HAHN Joachim, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart 1988, S. 249.
Stadtverwaltung Schwaigern (Hg.), Heimatbuch der Stadt Schwaigern. Schwaigern 1994, S. 249‒253.