Jüdischer Kulturweg

Das Gasthaus „Zum Ochsen“ Lehrensteinsfeld

Gemeinde Lehrensteinsfeld

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Raphael Schmitz

Das Gasthaus „Zum Ochsen“

Der „Ochsen“ in der heutigen Carl-Dietzsch-Straße 37 war eines von mehreren Gasthäusern in Lehrensteinsfeld. Es wurde von der jüdischen Familie Falk seit etwa 1750 betrieben – zunächst als Gassenwirtschaft. 1833 erhielt Metzgermeister Moses Falk (1794–1871) die Schildgerechtigkeit. Sein Sohn Isaak Löb führte den Betrieb weiter, bis er 1881 nach Heilbronn verzog. Anschließend ging die Wirtschaft in den Besitz der Familie Schweikert über, die um die Jahrhundertwende eine Kegelbahn errichtete und den Gaststättenbetrieb bis in die 1950er-Jahre aufrechterhielt.

Ansicht des Gasthauses „Zum Ochsen“. Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld, Fotosammlung.

Die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung

Lange Zeit war der jüdischen Landbevölkerung der Erwerb von Grundbesitz und die Betätigung in landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufen verwehrt. Die Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung erweiterten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich. Aber erst mit dem königlich württembergischen Gesetz vom 13. August 1864 war ihre bürgerliche Gleichstellung erreicht. Daher betrieben Juden zunächst überwiegend Handel und Geldgeschäfte, daneben übten sie auch religiös motivierte Betätigungen aus wie Rabbiner, Chasan (Vorbeter), Kantor (Vorsänger) oder waren Schächter für die rituelle Schlachtung.

Die Liste der 1828 in Lehrensteinsfeld lebenden Israeliten führt deren Alter, bisherige und künftige Familiennamen und das betriebene Gewerbe auf. Bei Nr. 31 handelt es sich um den Ochsenwirt Moses Falk. Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü. 6261 a.

Eine Liste mit 39 Namen der im Ortsteil Lehren lebenden Juden, angelegt aus Anlass der Annahme erblicher Familiennamen im Jahr 1828, gibt einen Überblick über deren damalige Gewerbe und Berufe: 17 Personen waren als „Schacherhändler“ tätig, drei weitere betätigten sich neben dem „Schacherhandel“ noch als Viehhändler bzw. Spezereikrämer. Jeweils zwei Personen waren Detail- bzw. Viehhändler. Hinzu kamen zwei Viehhändler, die zugleich Metzger waren und zusätzlich eine Gastwirtschaft betrieben. Die übrigen am Ort lebenden Jüdinnen und Juden verteilten sich auf verschiedene Berufe oder übten altershalber kein Gewerbe mehr aus. In Lehren überwogen also die Handeltreibenden mit einem Schwerpunkt auf dem „Schacherhandel“, womit nur ein bescheidenes Auskommen erzielt werden konnte. „Schachern“ stammt vom jiddischen Wort „sâchar“ ab, welches „handelnd umherziehen“ bedeutet. Im Deutschen erhielt der Begriff eine negative Bedeutung im Sinne von unlauterem Handeln.

Verfügung zu Vollziehung der ersten Abteilung des Gesetzes über die öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen vom 14. Juni 1828

Tabellarisches Verzeichnis der der Gemeinde Lehrensteinsfeld angehörigen Israeliten
nach der allerhöchsten Verordnung vom 14. Juni 1828. Regierungsblatt Nr. 43, Seite 543 Paragraph 2 ff. Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü. 6261 a.

Die Liste der 1828 in Lehrensteinsfeld lebenden Israeliten führt deren Alter, bisherige und künftige Familiennamen und das betriebene Gewerbe auf.

Ansicht des ehemaligen Gasthauses „Zum Ochsen“, 2013. Foto: Karl-Heinz Scholl.
Grabstein des 1871 verstorbenen Metzgers und Ochsenwirts Moses Falk auf dem jüdischen Friedhof in Affaltrach. Foto: Heinz Deininger.
Im Jahr 1904 erhielt der „Ochsen“ eine Kegelbahn. Gemeindearchiv Lehrensteinsfeld A 180.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld
Gemeindearchiv Lehrensteinsfeld, A 179, A 180, A 268
Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü. 6261 a

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 138–145.
Artikel zur jüdischen Gemeinde Lehrensteinsfeld auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 21.04.2022].
Liebenswertes Lehrensteinsfeld. Chronik über acht Jahrhunderte. Zusammengestellt vom Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld. Lehrensteinsfeld 2014, S. 138–147, 335–337.
NIR Benjamin / RITTER Martin, Der jüdische Friedhof in Affaltrach. Obersulm 1998, S. 193.
STEINKE Ronen, Antisemitismus in der Sprache: Warum es auf die Wortwahl ankommt. Berlin 2022.