Die Synagoge Massenbachhausen („Firminushaus“)
Das heute vor allem als „Firminushaus“ bekannte Gebäude in der Gartenstraße 3 ist die einstige, 1826 erbaute Synagoge der jüdischen Gemeinde. Seit 1684/85 sind Jüdinnen und Juden in Massenbachhausen belegt. Lebten bis ins beginnende 18. Jahrhundert nur wenige im Ort, sind 1828 bereits 43 Bewohner jüdischen Glaubens nachgewiesen; 1854 waren es 54. Danach sank deren Zahl aber wieder, da viele in größere Städte ab- oder nach Amerika auswanderten. So hatte die jüdische Gemeinde 1910 nur noch sieben Mitglieder. 1926 verstarb mit Karoline Dreyfuß die letzte jüdische Einwohnerin. Sie war kurz vor ihrem Tod zum Katholizismus übergetreten.
Erstmals 1736 wurde ein Betsaal („das synagogische exercitium“) in einem jüdischen Wohnhaus erwähnt. Das neue Synagogengebäude entstand 1826 in bescheidener klassizistischer Bauweise. Es wurde auch von den Gemeinden Massenbach und Bonfeld mitgenutzt. Neben dem Betsaal war darin eine Schule mit Lehrer- und Vorsängerwohnung untergebracht. Das Gebäude besaß eine Frauenempore, da Frauen und Männer den Gottesdienst getrennt feierten. Im Türsturz über dem Eingang befindet sich eine mittlerweile stark ausgewaschene hebräische Inschrift:
ברוך אתה בבאך וברוך אתה בצאתך
Gesegnet bist du bei deinem Eingang und gesegnet bist du bei deinem Ausgang.
Die Synagoge, als solche bis 1865 genutzt, wurde 1872 verkauft und fungierte von da an als bäuerliches Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Beim Umbau wurden zahlreiche Veränderungen vorgenommen: Die großen Fenster der Ostwand wurden verkleinert und im Erdgeschoss Stallfenster eingebracht. Es wurden Wände versetzt, eine Zwischendecke eingezogen und eine Stalltüre eingebrochen. Wichtige Utensilien für den Gottesdienst, wie die Torarollen, holte man nach Massenbach, dem neuen Sitz der Gemeinde. Das einstige Synagogengebäude wurde in der NS-Zeit nicht zerstört und von 2007 bis 2009 saniert.
1876 wurde in diesem Haus Josef Wickenhäuser geboren. Dem späteren Franziskaner („Bruder Firminus“) wurde 1998 vom Papst der Titel „Ehrwürdiger Diener Gottes“ verliehen. Er prägte die heute gängige Bezeichnung des Hauses.
Weiterführender Text
Von der Synagoge zum „Firminushaus“
1828 wurden die jüdischen Gemeinden in Württemberg neu eingeteilt. Da in Massenbachhausen zwei Jahre zuvor eine neue Synagoge erstellt worden war, wurde es zum Sitz einer vereinigten Gemeinde der Judenschaften von Massenbachhausen, Massenbach und Bonfeld. In Massenbach und Bonfeld konnten jedoch weiter Filialgottesdienste abgehalten werden. Wegen der Abwanderung der Jüdinnen und Juden aus Massenbachhausen wurde seit den 1860er-Jahren Massenbach zum Sitz der Hauptgemeinde.
Das Synagogengebäude in Massenbachhausen war eine typische Landsynagoge, gehalten in bescheidener klassizistischer Bauweise. Neben dem Betsaal waren auch die Schule und die Lehrer- und Vorsängerwohnung hier untergebracht. Ein hoher Saal mit Toraschrein bildete das Zentrum, in dem die Gottesdienste stattfanden. Links und rechts davon waren zwei hohe Fenster, die viel Licht in den Saal ließen, damit dieser für die Feierlichkeiten hell erleuchtet war. Der jetzige Haupteingang stellt auch den historischen Zugang dar.
Da die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde in Massenbachhausen kontinuierlich abnahm, war kein Bedarf für eine größere Synagoge mehr gegeben. Das Gebäude wurde schlussendlich 1865 geschlossen und 1872 verkauft. Wichtige Utensilien für den Gottesdienst, wie die Torarollen, wurden nach Massenbach gebracht. Der ehemalige Synagogenbau erfuhr eine neue Nutzung und fungierte von da an als bäuerliches Wirtschafts- und Wohngebäude. Durch den Umbau zu einem Wohnstallhaus ergaben sich zahlreiche bauliche Veränderungen: Die großen Fenster der Ostwand wurden verkleinert und im Erdgeschoss Stallfenster für die neue Nutzung als Scheune eingebaut. Die Nische des Toraschreines wurde vermauert. Da das Gebäude seine Funktion als Synagoge verloren hatte, blieb es während der nationalsozialistischen Herrschaft unversehrt. So überlebten viele ehemalige Synagogen als unscheinbare Wohn- und Wirtschaftsgebäude die zerstörerischen Jahre bis 1945.
Die ehemalige Synagoge („Firminushaus“), heute im Besitz der Gemeinde Massenbachhausen, wurde von 2007 bis 2009 umfassend saniert und bietet heute im Obergeschoss auch Übernachtungsmöglichkeiten an.
Die jüdische Gemeinde Massenbachhausen
Jüdinnen und Juden sind seit 1684/85 im Dorf nachgewiesen. Damals wurde der Ort noch Hausen bei Massenbach genannt und gehörte nacheinander zu verschiedenen kleineren Adelsherrschaften, bis er 1806 an Württemberg fiel. Bis ins beginnende 18. Jahrhundert lebten nur wenige Jüdinnen und Juden im Ort. Ab 1828 mussten alle jüdischen Familien einen festen Familiennamen annehmen. Daher wissen wir, wie groß die jüdische Bevölkerung damals war: 1828 waren 43 Jüdinnen und Juden in Massenbachhausen ansässig. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sank deren Zahl aber wieder, obwohl die Einwohnerzahl Deutschlands in absoluten Zahlen stark zunahm. Was war geschehen? Viele Deutsche – darunter auch zahlreiche Jüdinnen und Juden – erhofften sich in größeren deutschen Städten oder in Amerika ein besseres Leben. So bestand die jüdische Gemeinde in Massenbachhausen 1910 nur noch aus sieben Mitgliedern. Mit der 1863 in Heilbronn geborenen Karoline Dreyfuß, geb. Wollenberger, starb 1926 die letzte jüdische Einwohnerin. Sie war allerdings kurz vor ihrem Tod, am 4. Oktober 1925, zur katholischen Kirche übergetreten. Der Ort Massenbachhausen war zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich katholisch: 1925 gehörten 1.015 von insgesamt 1.030 Einwohnern dieser Konfession an.
Die Zigarrenfabrik Bernhard Hochherr
Welche Spuren hinterließen uns die jüdischen Massenbachhausener? Hier sind vor allem zwei Gebäude zu nennen: Außer der Synagoge das Gebäude in der Sinsheimer Straße 18, das 1898 als Zigarrenfabrik des jüdischen Unternehmers Bernhard Hochherr erbaut wurde. Dieser wurde 1870 im nahen Berwangen geboren und machte sich schon in jungen Jahren selbstständig. Sein Betrieb beschäftigte ca. 100 Menschen, welche durch eine eigene Betriebskrankenkasse versichert waren. Die Firma expandierte und wurde zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Region. Sie wurde jedoch bald nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten „arisiert“, sprich Bernhard Hochherr wurde enteignet. Er wurde im hohen Alter von 71 Jahren im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. Seit 2019 erinnert ein Stolperstein in Heilbronn an ihn und sein erfolgreiches Unternehmen. Die Frankfurter Straße 39 war der letzte frei gewählte Wohnort von Bernhard Hochherr und seiner Tochter Grete.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 386 Bü. 379, S. 75–79
Katholisches Pfarramt Massenbachhausen
Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente. Heilbronn 1986, S. 160–163.
Artikel zur jüdischen Gemeinde Massenbachhausen auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 11.05.2021].
Datenbank zur Bauforschung/Restaurierung des Landes Baden-Württemberg; Link öffnen [Abruf am 16.05.2021].
HAHN Joachim, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart 1988.
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 320–321.
SCHÖN Petra, Familie Hochherr. Fabrikanten (Berwangen, Massenbachhausen, Eppingen, Walldorf). In: Heitz Michael / Röcker Bernd (Hgg.), Jüdische Persönlichkeiten im Kraichgau. Heidelberg 2013, S. 133–139.
VETTER Karl-Heinz, Massenbachhausen und seine Einwohner 1400–1908. 2 Bände. Edingen-Neckarhausen 2018, Bd. 1 S. 197, Bd. 2 S. 1018 f.