Jüdischer Kulturweg

Die Synagoge Lehrensteinsfeld

Gemeinde Lehrensteinsfeld

Zur Übersicht
Lukas A. Stadler / Hannah-Lea Wasserfuhr

Bethaus, Synagoge und Schule

In Lehrensteinsfeld ist seit dem 17. Jahrhundert eine Synagoge nachweisbar. Unklar ist, ob die genannte Synagoge identisch ist mit dem bis ins 20. Jahrhundert als jüdisches Bethaus genutzten Gebäude in der heutigen Lehrener Straße 41. In dem zweigeschossigen Gebäude mit Satteldach und einem Gewölbekeller befand sich in der oberen Etage ein nach Männern und Frauen getrennter Betraum. Ein Schullokal wurde 1860 im Stockwerk unterhalb der Synagoge eingerichtet.
Da die Anzahl der Gemeindemitglieder im Laufe des 19. Jahrhunderts kontinuierlich abnahm, fanden sich immer weniger Gläubige in der Synagoge ein. 1933 waren nur noch elf Jüdinnen und Juden in Lehrensteinsfeld ansässig. So konnten kaum noch Gottesdienste abgehalten werden, wofür ein Minjan – mindestens zehn männliche mündige Gläubige – versammelt sein muss.

Einzig bekannte Innenansicht der Lehrensteinsfelder Synagoge, um 1930. Aus: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. Hrsg. vom Oberrat der israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Stuttgart 1932, S. 97.

Inventar über die in der hiesigen Synagoge u(nd) der Schule vorhandenen Gegenstände und Lehrmitteln.

Gemeindearchiv Lehrensteinsfeld B 195.

I. In der Synagoge

 A. Männerabteilung
  1.) Religions- u(nd) Gebetbücher
      a.) 8 Thorarollen
      b.) 1 Gebetbuch für den
                  Vorbeter u(nd) S. Bär (Rödelheim).
      c.) 1 Festgebetensammlung für
                 3 Wallfahrtsfeste von
                      A. Hirsch Homburg.
      d.) 1 Festgebetensammlung für
                 das Neujahrsfest u(nd) den Ver-
                 söhnungstag v(on) gleichen Verfasser.
      e.) 2 Festgebetensammlungen für
                  die genannten Feste, zusammen
                  gestellt v(on) Rabbiner Seckel Sulzbach,
                  gestiftet v(on) Feis Henle Juda hier.
      f.) 1 Gebetensammlung für die Buß-
                  tage, gestiftet v(on) Feis Henle Juda hier.
      g.) 1 Haphtorasamt (Prophetenstücke)
                  Eigentum d(er) Gemeinde v(on) früher.

Das Feuerversicherungsbuch

Das Feuerversicherungsbuch der Gemeinde zeichnet uns ein Bild über die Bauart der Synagoge und deren Ausstattung um das Jahr 1903. Diese bestand aus einem zweistöckigen Gebäude von Fachwerk mit Satteldach und einem gewölbten Keller. Im ersten Stock befand sich ein unbeheizbarer Raum mit Männer- und Frauenstühlen. An Zubehörden führt das Protokoll außerdem die Bundeslade, vermutlich ist hier der Toraschrein gemeint, in dem die Tora-Rollen aufbewahrt wurden, samt Vorbeterpult bzw. Kanzel, außerdem eine elektrische Beleuchtungseinrichtung mit sechs Flammen und einen Kronleuchter samt Leitung auf.

Feuerversicherungsbuch der Gemeinde Lehren, angelegt 1903. Gemeindearchiv Lehrensteinsfeld B 185.

Die Synagoge - Ein Gebäude auf Abbruch

Anfang 1938 wurde mit Zustimmung des Israelitischen Oberrates, der zu diesem Zeitpunkt seine Zustimmung auch nicht verweigern konnte, beschlossen, die Synagoge wegen Baufälligkeit auf Abbruch zu verkaufen. Am 26. Juni 1938 wurde ein würdiger Abschiedsgottesdienst gefeiert. Der Gastwirt und ehrenamtliche Vorbeter Leopold Henle konnte viele Ehrengäste und Freunde der jüdischen Gemeinde, darunter Dr. Siegfried Gumbel, Präsident des Israelitischen Oberrates, sowie Vertreter der jüdischen Gemeinden Heilbronn, Öhringen und Affaltrach begrüßen. Bezirksrabbiner Harry Heimann aus Heilbronn gab in seiner Ansprache einen Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde. Jüdische Schulkinder aus Heilbronn umrahmten den Gottesdienst mit Gesängen unter der Leitung von Oberlehrer Karl Kahn, der früher Lehrer in der Gemeinde war. Mit einem feierlichen Schlussgesang endete der letzte Gottesdienst in Lehrensteinsfeld.

Links: Lageplan, gefertigt 1938: Nach Abbruch der vermeintlich baufälligen Synagoge entstand an ihrer Stelle ein Lagerhaus als Anbau an ein bestehendes Wohnhaus. Rechts: Plan zum Lagerhausanbau, gefertigt 1938. Gemeinde Lehrensteinsfeld.

Nachweis über den letzten Gottesdienst in der Synagoge Lehrensteinsfeld am 26. Juni 1938. Aus: Jüdisches Gemeindeblatt für die israelitischen Gemeinden in Württemberg, 15. Jg. Nr. 9 vom 1. August 1938, S. 82. Universitätsbibliothek Frankfurt am Main/Compact Memory.

Der Neubau

Neuer Besitzer der ehemaligen Synagoge wurde ein örtlicher Weingärtner, dessen Wohnhaus direkt an die Synagoge angebaut war. Er brach das baufällige Gebäude ab und errichtete ein eingeschossiges Obstlagerhaus unter Verwendung des vorhandenen Kellers. 1959 wurde das Wohngebäude bis auf die Reste der Grundmauern abgebrochen und durch einen zweigeschossigen Neubau ersetzt. Teile des Lagerhauses wurden zu Wohnräumen umgebaut und über das Wohnhaus erschlossen.

Lehrener Straße 41. Hier stand bis zum Abbruch im Jahr 1938 neben dem Wohnhaus die Synagoge von Lehrensteinsfeld. Foto: Karl-Heinz Scholl.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Gemeinde Lehrensteinsfeld

Gedruckte Quellen:
Universitätsbibliothek Frankfurt am Main/Compact Memory; Link öffnen

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente. Heilbronn 1986, S. 138–145.
Artikel zu Lehrensteinsfeld auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 13.05.2021].
Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld (Hrsg.), Liebenswertes Lehrensteinsfeld. Chronik über acht Jahrhunderte. Lehrensteinsfeld 2016, S. 130–132.
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 291–292.
Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. Hrsg. vom Oberrat der israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Stuttgart 1932.
Liebenswertes Lehrensteinsfeld. Chronik über acht Jahrhunderte. Zusammengestellt vom Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld. Lehrensteinsfeld 2014, S. 130–132.