Jüdischer Kulturweg

Die jüdische Schule Olnhausen

Gemeinde Jagsthausen

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Der Ortsplan zeigt die jüdische Schule (Nr. 14), die abgebrochene Synagoge (Nr. 13) und vormals in jüdischem Besitz gewesene Wohn- und Geschäftshäuser.

Johannes Sander

Die jüdische Schule Olnhausen

Die jüdische Schule dokumentiert nach dem 1972 erfolgten Abbruch der rückwärtigen Synagoge noch die Bedeutung der einst großen jüdischen Gemeinde, die zeitweilig mehr als ein Drittel der Einwohner ausmachte. Das Schulhaus hier wurde 1845/46 errichtet. Es ist als solches nicht zu erkennen. Nur wer genau hinschaut, entdeckt auf der rechten Seite des Türrahmens die Spuren einer Mesusa, einer schräg angebrachten metallenen Schriftkapsel. Beim Eintritt in das Haus berühren gläubige Jüdinnen und Juden die Mesusa, um sich der Gebote Gottes und des göttlichen Schutzes zu vergewissern.

Die jüdische Schule, 1988. Heute trägt sie einen auffälligen Farbanstrich. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, Hans-Joachim Aderhold.

Der schlichte Bau mit fünf Fensterachsen und dem Eingangsportal in der Mitte nahm das Schulzimmer und die Lehrerwohnung auf, außerdem ein Sitzungszimmer der jüdischen Gemeinde und einen für ihre Mitglieder nutzbaren Backofen. Im Untergeschoss wurde das rituelle Tauchbad (Mikwe) eingerichtet, welches zuvor unter einer Privatscheuer untergebracht war.
Infolge des Rückgangs der Schülerzahlen wurde die Schule 1874 erstmals geschlossen bzw. in eine reine Religionsschule umgewandelt. Die jüdischen Kinder besuchten fortan den christlichen Unterricht am Ort.

Am Eingang des Schulhauses kann man noch die Spuren jener Vertiefung erkennen, wo einst eine Mesusa (Schriftkapsel) schräg angebracht war. Foto: Johannes Sander.

Zwischen 1900 und 1914 bestand noch einmal eine eigene israelitische Volksschule, die nach dem Wegzug des langjährigen Lehrers Leopold Pollack nach Tübingen wieder geschlossen wurde. 1726 war mit Joseph Jacob erstmals ein Schulmeister verpflichtet worden, der die Kinder in Hebräisch und Religion unterwies. Den Elementarunterricht erhielten sie aber zusammen mit den christlichen Kindern, bis die israelitische Gemeinde 1835 eine eigene Konfessionsschule – zunächst in angemieteten Räumen – gründete. Mit einem erheblichen Kostenaufwand konnte 1845/46 ein adäquates Schulhaus am Lindenplatz (heute Lindenstraße 4) neu erbaut werden.

Leopold Pollack mit seiner Ehefrau Pauline, geb. Heidelberger, und den sechs in Olnhausen geborenen Töchtern, um 1910. Foto: Privatbesitz.

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Ein Gebäude für die Gemeinde

Zum Bau des eigenen Schulhauses 1845/46 steuerte die Staatskasse 300 Gulden bei, zumal nur wenige der damals 22 jüdischen Familien als „bemittelt“ galten. Zuvor war die Einrichtung einer gemeinsamen Schule mit den evangelischen Kindern geplant gewesen. Da das evangelische Konsistorium sich dadurch keine Kostenersparnis versprach, kam diese Vereinigung jedoch nicht zustande.
Das Schulhaus erfüllte mehrere Funktionen für die jüdische Gemeinde, unter anderem diente ein im Erdgeschoss befindlicher, 320 Liter fassender Kupferkessel, der Warmwasserbereitung für die Mikwe.

Für den Schulhausbau erhielt die jüdische Gemeinde einen Staatsbeitrag in Höhe von 300 Gulden. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 201 c Bü. 23.

Auszug aus dem Schätzungsprotokoll für die Gebäudebrandversicherung mit Beschreibung des Frauenbads (1901). Gemeindearchiv Olnhausen B 94.

Leopold Pollack, langjähriger Lehrer in Olnhausen, und seine Familie

Ab Ende der 1880er-Jahre war der am 9. August 1858 im böhmischen Chlistau (Chlistov) bei Klattau (Klatovy) geborene Leopold (Jehuda) Pollack Lehrer, Kantor und Vorbeter in Olnhausen. Er war ein Sohn des Lehrers Moses Pollack und der Rosalie geb. Hartmann. Um 1880 war er nach Deutschland gekommen und besuchte das Lehrerseminar in Würzburg. In dieser Zeit erhielt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Abschluss seines Studiums zog er nach Leutershausen bei Ansbach, wo er an der Volksschule unterrichtete und Vorbeter der jüdischen Gemeinde war. 1888 ließ er sich nach Olnhausen versetzen; 26 Jahre lang war er hier als Vorbeter der jüdischen Gemeinde und als Volksschullehrer tätig. 1893 heiratete er die 1868 in Markelsheim bei Bad Mergentheim geborene Pauline Heidelberger, Tochter des Viehhändlers Joseph Heidelberger und der Rosa geb. Strauss. Pauline wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte und wanderte 1946 in die USA aus. Sie ist am 24. Januar 1951 in New York gestorben.

Grabstein des Leopold Pollack auf dem jüdischen Friedhof in Wankheim, Vorder- und Rückseite. Aus: Hüttenmeister Frowald Gil, Der jüdische Friedhof Wankheim, Stuttgart 1995, S. 207 f.

Aus der Ehe von Leopold und Pauline Pollack gingen sechs Töchter hervor, die alle in Olnhausen geboren wurden: Recha (geb. 5.7.1895) emigrierte 1939 in die Schweiz und 1940 weiter in die USA, Martha (geb. 12.12.1897) emigrierte 1912 in die USA, Rosa (geb. 30.6.1898) wanderte 1935 nach Palästina aus und 1951 weiter in die USA, Clara (geb. 17.2.1900) wurde mit ihrer Familie 1940 nach Gurs deportiert und in Auschwitz ermordet, Hilde/Mathilde (geb. 17.9.1901) wurde mit ihrem Ehemann nach Gurs deportiert und 1942 nach Auschwitz. Die beiden überlebten und wanderten 1946 in die USA aus. Die jüngste Tochter Selma (geb. 26.10.1903) wanderte 1936 nach Palästina aus und zog 1951 in die USA.
Am 1. August 1914 verließ Pollack Olnhausen und kam mit seiner Familie nach Tübingen. Er übernahm dort den synagogalen Gottesdienst und erteilte Religionsunterricht. Nach einer schweren Erkrankung verstarb er am 11. Juli 1923 in Tübingen. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Wankheim beigesetzt.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Biographische Datenbank jüdisches Unterfranken; Link öffnen
Gemeindearchiv Olnhausen B 94
Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 201 c Bü. 23
Kreisarchiv Tübingen Sterbebuchzweitregister 1923
Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Fotosammlung

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 194–200.
Artikel zur jüdischen Gemeinde Olnhausen auf der Internetseite der Alemannia Judaica; https://www.alemannia-judaica.de/olnhausen_synagoge.htm [Abruf am 29.05.2022].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 229–231.
HAIN Hans, Aus der Vergangenheit des Dorfes Olnhausen. Veröffentlicht durch die Gemeinde Jagsthausen-Olnhausen anläßlich der 1200-Jahr-Feier, Mai 1981. Olnhausen 1981, S. 39–40.
HÜTTENMEISTER Frowald Gil, Der jüdische Friedhof Wankheim (Beiträge zur Tübinger Geschichte 7). Dokumentiert von Frowald Gil Hüttenmeister. In Zusammenarbeit mit Elke Maier und Jan Maier. Stuttgart 1995.