Die jüdische Gemeinde Olnhausen
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Die Herren von Berlichingen, zu deren Herrschaft Olnhausen bis 1806 gehörte, siedelten hier gegen Zahlung eines Schutzgeldes Juden an. Die zunächst kleine Gemeinde stieg vor allem nach 1800 stark an und erreichte 1854 mit 158 Seelen bei einer Gesamteinwohnerzahl von 450 Personen ihren Höchststand. Danach ging die Zahl der jüdischen Einwohner infolge von Auswanderung stark zurück. Hauptsächliche Lebensgrundlage war der Handel mit Vieh und Waren aller Art. Auch die Ortsherren von Berlichingen wurden mit exklusiven Waren wie Kamelgarn, Seide oder farbigen Tüchern beliefert.
An die jüdische Vergangenheit erinnern noch die von dem früheren Bundespräsidenten Roman Herzog enthüllte Gedenktafel, die ehemalige jüdische Schule hinter diesem Gebäude (Lindenstraße 4) sowie einige Wohn- und Geschäftshäuser im Dorf. Der frühere Flurname „Judenkirchhof“ nördlich des Dorfs legt nahe, dass es einen eigenen Friedhof gab, ehe man den Verbandsfriedhof in Berlichingen nutzte. 1881 wurde hier die Synagoge wegen Baufälligkeit des Vorgängerbaus von 1772/73 neu erbaut. Der stattliche Neubau mit Walmdach war in neuromanischen Formen gehalten. Ein rundbogiges, säulengeschmücktes Portal führte in den Hauptraum, die Frauenempore war über eine seitliche Außentreppe erreichbar. Der Türsturz der Vorgängersynagoge mit dem von Berlichingenschen Wappen, einem Psalm und dem Baujahr 1772 wurde am Haupteingang wiederverwendet. Das Gebäude wurde zur „Zierde des Ortes“ und ist zusammen mit dem Rathaus als repräsentatives Ensemble auf mehreren Ansichtskarten abgebildet.
Die Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 geschändet und ihre Einrichtung zerstört. Obwohl einige Bewohner ihre jüdischen Mitbürger so weit wie möglich unterstützten, wurden 1941/42 die letzten zwölf im Ort verbliebenen Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager in Osteuropa verschleppt. Niemand von ihnen hat überlebt. Nach dem Krieg wurde die Synagoge zum Lager umgebaut und 1972 abgebrochen.
Weiterführender Text
Zwischen Ausgrenzung und Integration
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Die Herren von Berlichingen, zu deren Herrschaft Olnhausen bis 1806 gehörte, siedelten hier gegen Zahlung eines Schutzgeldes Juden an. Mit der christlichen Bevölkerung kam es schon in der Frühzeit der jüdischen Gemeinde immer wieder zu Spannungen. So wollte der evangelische Pfarrer 1656 seinen Gemeindemitgliedern verbieten, den Juden am Schabbat beim Heizen zu helfen und kleinere Gefälligkeiten zu leisten. Lange Zeit blieb die Kehilla (jüdische Gemeinde) recht klein, und bisweilen lebten sogar – nicht zuletzt infolge von Kriegsereignissen – keine Jüdinnen und Juden in Olnhausen. Vor allem nach 1800 stieg ihre Zahl aber stark an. 1732 ist noch von 13 Haushalten die Rede, 1817 von 21 Familien, und 1854 wurde mit bis zu 158 Seelen bei einer Gesamteinwohnerzahl des Ortes von rund 450 Personen der Höchststand erreicht.
1828 wurde in Württemberg staatlich verordnet, dass die Jüdinnen und Juden erbliche Familiennamen anzunehmen hatten. In Olnhausen sind seit diesem Zeitpunkt die Namen Bergmann, Ehrlich, Gutmann, Heidenheimer, Hirsch, Krämer, Levi, Mirabeau, Ochs, Oppenheimer, Reis, Rosenfeld, Schlesinger, Steinhardt, Stern, Straus, Uhlmann und Weil bekannt.
Angesichts ihrer nach und nach erworbenen bürgerlichen Rechte könnte es als Zeugnis eines selbstbewussten Auftretens der jüdischen Ortseinwohner Olnhausens zu deuten sein, dass zwei Familienvorstände den Namen Mirabeau wählten: Salomon Löw und Joseph Isaak, beide Handelsmänner. Damit erwiesen sie vermutlich dem 1791 verstorbenen französischen Politiker und Publizisten Marquis de Mirabeau die Ehre, der sich für die jüdische Gleichberechtigung eingesetzt hatte. Denkbar wäre aber auch ein Bezug auf die im benachbarten Hohenlohe stationierte französische Legion Mirabeau unter dem Kommando des Bruders des Marquis, Vicomte Mirabeau. Dieser Name ist für eine jüdische Familie im deutschen Raum bislang erstmals in Olnhausen nachgewiesen.
Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse
Hauptsächliche Lebensgrundlage der jüdischen Familien in Olnhausen war der Handel mit Vieh und Waren aller Art. So belieferten etwa Salomon Judel, Nochum (Nogum) oder Isaac Moses um 1770 die Herrschaft Berlichingen mit exklusiven Waren wie Kamelgarn, Knöpfen, Seide oder farbigen Tüchern, die unter anderem auf der Frankfurter Messe eingekauft wurden. In Olnhausen lebte auch eine größere Anzahl vermögender jüdischer Familien. Dies führte freilich auch zu Konflikten mit den andersgläubigen Ortseinwohnern. 1817 befürchteten die Herren von Berlichingen, Juden könnten in Olnhausen überproportional viel Grundbesitz erwerben, und wollten die Anzahl der hier ansässigen Familien beschränken. Dies wurde ihnen jedoch von der königlichen Regierung des Neckarkreises mit Hinweis auf die bevorstehenden näheren Bestimmungen zur Gleichberechtigung untersagt.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner Olnhausens infolge von Ab- und Auswanderung nicht zuletzt in die Vereinigten Staaten stark zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es zunehmend schwierig, die für den Gottesdienst notwendige Anzahl an im religiösen Sinn mündigen Juden, den sogenannten Minjan, zusammenzubringen. Wenn jemand krank oder verhindert war, musste ein Mann aus dem sieben Kilometer entfernten Berlichingen herbestellt werden. Dadurch verschwanden nach und nach auch die jüdischen Gasthäuser und die wenigen jüdischen Handwerksbetriebe. Bis 1910 gab es eine rituelle Bäckerei und bis in die Zeit des Nationalsozialismus eine koschere Metzgerei, die von den Viehhändlern Gutmann geführt wurde. Einige dieser Geschäftshäuser haben sich bis heute im Ort erhalten.
Die Synagoge
Eine Synagoge in Olnhausen wird in den schriftlichen Quellen erstmals 1732 erwähnt. Sie befand sich im Obergeschoss eines privaten Wohnhauses (Standort unbekannt). 1736/37 ließ die Herrschaft Berlichingen auf eigene Kosten ein „Judenhaus“ errichten, in dem sich neben Wohnungen für bis zu vier Familien auch ein Betsaal befand. Die Kehilla musste für das Gebäude jährlich vier Gulden als Miete entrichten.
1772/73 wurde an der heutigen Rathausstraße 5 eine neue Synagoge errichtet. Zu ihrem Bau mussten auch die christlichen Einwohner Olnhausens Handfrondienste leisten. Dass auch in anderer Hinsicht den jüdischen Mitbürgern in dieser Zeit eine gewisse Gleichberechtigung zuteilgeworden war, zeigt sich in der Tatsache, dass der Möckmühler Steinhauermeister Johann Ludwig Walther angewiesen wurde, die zunächst misslungene Bima – das Podest, von dem aus die Tora während des Gottesdienstes verlesen wird –, auf eigene Kosten neu herzustellen.
Die Synagoge von 1772/73 war jedoch gut hundert Jahre später „durch Ausweichen der Umfassungsmauern“ baufällig geworden, so das Oberamt Neckarsulm in einem Schreiben an den Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde vom 6. Juni 1879. Trotz beschränkter finanzieller Mittel ließ sich ein Neubau nicht mehr umgehen: Er wurde 1881 nach Plänen des Amtsbaumeisters Lell realisiert.
Wie sah der Innenraum der Synagoge einst aus? Einen vagen Eindruck davon vermag das Schätzungsprotokoll für die Gebäudebrandversicherung aus dem Jahr 1901 noch zu vermitteln. Demzufolge standen in der Mitte des Betraumes jeweils auf einem Steinsockel ein von einem Geländer eingefasstes Betpult sowie ein „Thorakasten“ aus lackiertem und teilweise vergoldetem Holz. Hinzu kamen zwei bewegliche hölzerne Betpulte. An der Decke hing ein Kronleuchter, an einer Seitenwand eine nicht näher beschriebene Uhr.
Die Zeit des Nationalsozialismus und danach
Nach der nationalsozialistischen Machtübertragung erlitten die Jüdinnen und Juden in Olnhausen das gleiche Schicksal wie ihre Glaubensgenossen in anderen Orten. Die stetige Beschneidung ihrer Rechte, die Ausgrenzung und die zunehmende Gewalt gipfelten in einer ersten Eskalation beim Novemberpogrom 1938. Die Synagoge, in der noch bis in die 1930er-Jahre Gottesdienste stattgefunden hatten, wurde geschändet und ihre Einrichtung zerstört.
Einige Einwohner in Olnhausen versorgten zwar noch bis in die ersten Jahre des Krieges hinein ihre jüdischen Mitbürger so weit wie möglich mit Lebensmitteln und unterstützten sie. 1941/42 wurden die letzten zwölf im Ort verbliebenen Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager in Osteuropa verschleppt und ermordet. Unter ihnen waren auch die Mutter und eine Schwester des in Nordfrankreich gefallenen Bernhard Stern sowie der Kaufmann Julius Strauß, der ebenfalls im Ersten Weltkrieg gekämpft und dabei ein Bein verloren hatte.
Die Synagoge wurde nach dem Krieg jahrelang als Lager und Scheune genutzt, bis sie 1972 abgerissen wurde, um dem Neubau einer kleinen Sparkassenfiliale Platz zu machen. Auch dieses Gebäude wurde um 2005 abgebrochen und das Grundstück im Jahr 2006 mit einem neuen Wohnhaus überbaut. Im November 2007 fand in Anwesenheit des früheren Bundespräsidenten Dr. Roman Herzog die Enthüllung einer Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge statt.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Archiv der Freiherren von Berlichingen Nr. 3093
Gemeindearchiv Olnhausen B 94
Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 99/001 Bü. 305 Nr. 1390
Kreisarchiv Heilbronn S 5 Nr. 85; Kleindenkmaldokumentation
Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 194–200.
Artikel zur jüdischen Gemeinde Olnhausen auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 29.05.2022].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 229–231.
HAIN Hans, Aus der Vergangenheit des Dorfes Olnhausen. Veröffentlicht durch die Gemeinde Jagsthausen-Olnhausen anläßlich der 1200-Jahr-Feier, Mai 1981. Olnhausen 1981, S. 39–40.
MENK Lars, A Dictionary of German-Jewish Surnames. Bergenfield, New Jersey 2005, S. 540–541.