Drei Jahrhunderte währendes jüdisches Leben
Lebten bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts einzelne Juden im Ort, konnte sich jüdisches Leben in Lehrensteinsfeld vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg etablieren. Im 17. Jahrhundert erscheint als Herkunftsort der Jüdinnen und Juden zumeist der Ortsteil Steinsfeld, später wohnten sie ausschließlich im Ortsteil Lehren. Das Dorf war 1649/50 an Ludwig von Schmidtberg und 1778/79 an die Herren von Gemmingen-Hornberg gelangt. Beide Herrschaften nahmen Juden auf, die vor allem im 17. Jahrhundert besondere Beziehungen zu deutschordischen Orten wie Neckarsulm, Binswangen oder Stockheim unterhielten.
Im Lauf des 18. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde auf 15 Familien angewachsen. 1805 gelangte Lehrensteinsfeld an das Kurfürstentum Württemberg. Die jüdische Gemeinde machte mit über 100 Personen rund ein Drittel der Dorfbevölkerung aus. Die meisten Gemeindemitglieder lebten jedoch in ärmlichen Verhältnissen. An die Lehrener Juden erinnern neben der Judengasse heute noch die Flurnamen „Mosesrain“ und „Judenbad“ sowie der Judengartenweg von Lehrensteinsfeld nach Untergruppenbach-Stettenfels.
Die Judengasse in Lehrensteinsfeld
Die Judengasse, im Ortsteil Lehren gelegen, gehört zu den wenigen Straßenbezeichnungen dieser Art, die das 20. Jahrhundert überdauert haben. Wann die Straße erstmals Judengasse genannt wurde, ist nicht belegt. Hier spielte sich zunächst das jüdische Leben ab – in der Judengasse wohnte und arbeitete die jüdische Bevölkerung. Wenn auch viele der alten Häuser in den letzten Jahren abgebrochen worden sind, ist der Charakter der Gasse mit seiner engen Bebauung noch heute erkennbar.
Als Bankiers und Kaufleute in den Niederlanden: Die Familie Lehren
Eine der jüdischen Familien verschlug es bereits im 18. Jahrhundert in die Niederlande. Der aus Lehrensteinsfeld stammende Abraham Moses Lehren (1740‒1815) war wohl von Mannheim aus ausgewandert und brachte es in Den Haag als Bankier zu großem Vermögen. Seine drei Söhne, die ebenfalls als Bankiers bzw. Kaufleute tätig waren, lebten in Amsterdam: Zvi Hirsch Lehren (1784‒1853), Jacob Meir Lehren (1793‒1861) und Akiba Moses Lehren (1795‒1876). Die drei Brüder, Anhänger der Orthodoxie, waren sehr stark an religiösen Fragen interessiert, engagierten sich in der jüdischen Gemeinde und brachten größere Summen für wohltätige Zwecke auf. In Amsterdam ist die Familie Lehren, die ihren Namen von ihrem Herkunftsort ableitete, wohlbekannt. Teile ihrer bedeutenden Bibliothek befinden sich in der „Ets Haim Livraria Montezinos“ Bibliothek und weitere Dokumente im Jüdischen Museum in Amsterdam.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld
Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein Ba 50 Bü. 3
Vermessungsamt Heilbronn
Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 138–145.
Artikel zu Lehrensteinsfeld auf der Interseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 17.04.2022].
Encyclopaedia Judaica, Vol. 2 (ALR–AZ): Amsterdam. 2. Auflage. Detroit [u.a.] 2007, S. 106–120. Vol. 12 (KAT–LIE): Lehren. 2. Auflage. Detroit [u.a.] 2007, S. 616–617.
Encyclopaedia Judaica. Das Judentum in Geschichte und Gegenwart, 2. Band (Akademien–Apostasie): Amsterdam. Berlin 1928, Sp. 715–734. 10. Band (Kimchit–Lyra): Lehren. Berlin 1934, Sp. 738–739.
HAHN Joachim, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart 1988, S. 234.
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 291–292.
Liebenswertes Lehrensteinsfeld. Chronik über acht Jahrhunderte. Zusammengestellt vom Förderverein Dorfkultur Lehrensteinsfeld. Lehrensteinsfeld 2014, S. 133–134, 153.