Das Salzbergwerk als Rüstungsbetrieb
Die Ausstellung im Salzbergwerk in 180 Metern Tiefe erinnert an die Häftlinge des ehemaligen KZ Kochendorf. Diese stammten aus rund 20 Ländern und mussten hier von September 1944 bis Ende März 1945 für die Rüstungsindustrie arbeiten, die nach Luftangriffen unter Tage verlagert wurde. Dazu sollten leere Abbaukammern dienen: das Projekt „Eisbär“.
Für den Ausbau der Salzkammern zu Fabrikräumen wurden ab September 1944 neben deutschen Arbeitern und ausländischen Zwangsarbeitern auch „gemietete“ KZ-Häftlinge von der SS herangezogen. Diese mussten Steinbrocken schleppen und zerkleinern und dabei schlimmste körperliche Misshandlungen und Demütigungen ertragen. Ab Oktober 1944 wurden die ersten Häftlinge in der Produktion von Flugzeugturbinen bei der Ernst Heinkel AG und deren Partnerunternehmen eingesetzt ebenso wie für die Montage von U-Boot-Motoren für die Motorenwerke Mannheim AG. Einige waren auch in der Landwirtschaft oder für die Gemeinde tätig. Eine besonders traumatisierende Aufgabe war das Ausheben von Gräbern für ihre bereits zu Tode gekommenen Leidensgenossinnen und -genossen.
Die Häftlinge stammten vom KZ Natzweiler-Struthof im Elsass, welches sie vor den heranrückenden Alliierten in Außenlager überstellte, darunter auch Kochendorf. Unterhalb des heutigen Krankenhauses am Plattenwald hatte die Organisation Todt ab August 1944 ein Lager errichtet, das vom 3. September bis zu seiner Räumung Ende März 1945 rund 2.000 Häftlinge internierte. Unter ihnen waren etwa 35 Prozent jüdische Gefangene, vor allem aus Ungarn und Polen. Die Juden standen in der Lagerhierarchie an letzter Stelle.
Als die Alliierten nach Kochendorf vorrückten, wurden die Lagerinsassen auf den „Todesmarsch“ nach Dachau geschickt. Insgesamt starben im KZ, bei der Arbeit und auf diesem Marsch mindestens 447 Häftlinge. Die meisten liegen heute auf dem KZ-Friedhof am Reichertsberg begraben, sofern sie nicht exhumiert und in ihre Heimatländer verbracht worden sind.
Weiterführender Text
Rüstungsgüter
Die Bauarbeiten zur Errichtung geschützter Rüstungsfabriken in den Salzbergwerken Kochendorf und Heilbronn, die dem Reichswirtschaftsministerium unterstanden, wurden im April 1944 aufgenommen.
Auf mehr als 11 Hektar sollten Rüstungsgüter produziert werden. Zusätzlich wurden zwei neue Bergwerkszugänge gegraben, die infolge des Kriegsverlaufs nicht fertiggestellt wurden: ein zweiter Senkrechtschacht und ein Schrägstollen für den Abtransport der unter Tage gefertigten Güter.
Vernichtung durch Arbeit
Die Häftlinge mussten an sechseinhalb Tagen in der Woche in Tag- und Nachtschichten arbeiten, wobei ein Arbeitstag elf Stunden dauerte. Die schlechte Ernährung und die katastrophalen hygienischen Verhältnisse im KZ sorgten dafür, dass sich der gesundheitliche Zustand der Häftlinge rapide verschlechterte. Noch im Oktober wurden 92 nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge ins KZ Dachau abgeschoben, wo die völlig erschöpften Häftlinge der sichere Tod erwartete.
Die Räumung des Lagers
Im März 1945 hatte das Lager seine Höchstbelegung mit rund 1.800 Häftlingen erreicht. Kurz darauf ließ es die SS vor der vorstoßenden US-Armee räumen. KZ-Kommandant Büttner ließ 398 gehunfähige Häftlinge mit dem Zug nach Dachau transportieren, der Rest musste den schweren Marsch zu Fuß antreten. Als die 7. US-Armee am 13. April 1945 in Kochendorf einmarschierte, fand sie ein verlassenes KZ und eine unvollendete unterirdische Rüstungsfabrik vor. Die überlebenden Häftlinge wurden Ende April 1945 in Dachau, im Dachau-Nebenlager Allach sowie nach einem weiteren Todesmarsch im Raum Mittenwald befreit. Spuren des KZ Kochendorf sind heute fast vollständig verschwunden.
Die Miklos-Klein-Stiftung
Die Dauerausstellung im Besucherbergwerk in Bad Friedrichshall-Kochendorf in der Bergrat-Bilfinger-Straße 1 erzählt am authentischen Ort die Geschichte der Inhaftierten des Lagers und der Rüstungsfabrik „Eisbär“. Sie wird von der Miklos-Klein-Stiftung Bad Friedrichshall getragen, die 2018 das Europäische Kulturerbe-Siegel als Auszeichnung für die deutsch-französische Vermittlungsarbeit erhielt. Benannt ist die Stiftung nach dem ersten Opfer von zwei im KZ stattgefundenen Exekutionen: Ende Oktober 1944 ließ der KZ-Kommandant Büttner den ungarischen Juden Miklos Klein wegen angeblicher Sabotage erhängen.
Erinnerung heute
Unter den Objekten der Ausstellung finden sich eine Opfer- und eine Tätergalerie, Teile einer Baracke, ein blau-weiß-gestreifter Häftlingsanzug sowie Gebrauchsgegenstände. Zahlreiche Text- und Bildtafeln erläutern das auch in Kochendorf angewandte NS-Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Archiv der Miklos-Klein-Stiftung, Bad Friedrichshall
Literatur:
PFLUG Konrad / RAAB-NICOLAI Ulrike und WEBER Reinhold (Hg.), Orte des Gedenkens und Erinnerns in Baden-Württemberg. Stuttgart 2007, S. 54–58.
RIEXINGER Klaus / ERNST Detlef, Vernichtung durch Arbeit. Rüstung im Bergwerk. Die Geschichte des Konzentrationslagers Kochendorf – Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof. Tübingen 2003.