Zeugen der Geschichte
Der jüdische Friedhof mit seinen 708 Grabsteinen an der Weinbrennerstraße gehörte neben der Mikwe und der alten Synagoge zu den eindrucksvollen Zeugen der Geschichte und Kultur der jüdischen Gemeinde Eppingen. Der Friedhof wurde 1818/1819 im Gewann „Großer Hellberg“ als Verbandsfriedhof angelegt. Zuvor haben die Eppinger Juden ihre Toten auf auswärtigen Friedhöfen im Kraichgau bestattet.
Der Friedhof diente auch den umliegenden Gemeinden als Begräbnisstätte. Am Eingang befindet sich ein Ehrenmal für die aus Eppingen, Gemmingen, Mühlbach und Richen gefallenen jüdischen Gemeindemitglieder des Ersten Weltkriegs sowie ein weiteres Denkmal mit der Inschrift „Siehe, der Stein schreit aus der Mauer“ mit einzelnen Grabsteinfragmenten.
Der 41 Ar große Friedhof wurde zweimal erweitert. An das große Hauptfeld sind Bereiche für Kinder und Wöchnerinnen angegliedert. Insgesamt wurden 742 jüdische Personen beerdigt. Der älteste Grabstein datiert aus dem Jahr 1819, die letzten Bestattungen fanden im Mai 1939 (Leopold Dreifuß) und im März 1940 (Ricke Rosa Eisemann) statt. Die politischen Verhältnisse ließen es damals aber nicht mehr zu, den beiden Verstorbenen Grabsteine zu setzen. Die Stadt Eppingen und die Gemeinde Gemmingen hatten ihnen dann im Jahr 2019 Grabsteine gesetzt, „denn ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist“.
Während seines Bestehens wurde der Friedhof mehrfach geschändet. Im Oktober 1945 wurden auf Anordnung der Militärregierung Instandsetzungsarbeiten auf dem Friedhof durchgeführt. Zur schlimmsten Friedhofsschändung kam es im Oktober 1982, bei der 50 Grabsteine zerstört wurden.
Der Eppinger jüdische Friedhof ist außerordentlich reich an Grabsteinsymbolen, die Besonderheiten der hier Bestatteten abbilden. Besonders selten auf jüdischen Friedhöfen sind hier die Darstellungen biblischer Szenen wie die Opferung Isaaks, Engelsgestalten oder Symbole, die auf Gott hinweisen.
Weiterführender Text
Grabsteinsymbolik
Die Grabsteine des jüdischen Friedhofs zeigen eine reichhaltige Symbolik. Darunter befinden sich unter anderem Symbole, die auf die Abstammung eines Verstorbenen aus den Geschlechtern der Kohanim und der Leviim hindeuten. Die segnenden Hände weisen den Verstorbenen als Nachkommen eines Priesters aus, hebräisch Kohen. Dieser erteilt besonders an hohen Feiertagen in der Synagoge den Segen und spreizt die Finger der erhobenen Hände. Auch der Nachname „Kahn“ weist auf die Herkunft aus einer Priesterfamilie hin.
Schmetterling
Tiere haben in der jüdischen Grabsteinsymbolik eine lange Tradition. Löwen etwa weisen auf den biblischen Stamm Juda und fanden daher auch Eingang in Familiennamen oder beziehen sich auf den Vornamen Ari (hebräisch für Löwe). In der Kinderabteilung findet man besonders den Schmetterling als Symbol der Flüchtigkeit des Lebens bzw. für die Unsterblichkeit der Seele, die sich im Tod aus ihrer irdischen, sterblichen Hülle befreit.
Opferung Isaaks
Einmalig sind die beiden sehr ähnlichen Darstellungen der Opferung Isaaks (1. Mose 22) auf der Rückseite zweier Grabsteine. Abraham ist bereit, seinen Sohn zu opfern, hält das Messer schon in der Hand, da erscheint der Engel aus den Wolken, um ihn daran zu hindern. Der Widder, der statt Isaaks geopfert wird, sitzt im Gestrüpp daneben.
„Un ebbes Bsunders“
Immer wieder kommen Verwandte aus der ganzen Welt auf diesen Friedhof und besuchen die Gräber ihrer Vorfahren. Dabei legen sie kleine Steinchen auf die Grabsteine. Das ist ein alter Brauch, der an die Wanderung des biblischen Volkes Israel durch die Wüste erinnert.
Frau Hanna Hamburger geb. Marx, die am 30. Oktober 1938, wenige Tage vor der Reichspogromnacht, mit ihrer Familie in die USA emigrieren konnte, schrieb in einem Brief an Eppinger Schüler:
„Ich war nach dem Krieg mehrere Male in Eppingen. Dies war ein Kapitel, das zu Ende gebracht werden musste. Dabei traf ich auf viele bekannte Gesichter. Vielen Leuten war dies peinlich, viele schauten aufgrund ihres schuldhaften Verhaltens verlegen zur Seite, andere aber freuten sich auf ein Wiedersehen mit mir. Beim Anblick des gut gepflegten jüdischen Friedhofs spürte ich so etwas wie einen Frieden in meinem Herzen.“
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien
Literatur:
Artikel zum jüdischen Friedhof Eppingen auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen.
BISCHOFF Ralf / HAUKE Reinhard, Der jüdische Friedhof in Eppingen. In: Eppingen - Rund um den Ottilienberg. Beiträge zur Geschichte der Stadt Eppingen und Umgebung Band 5. 2. Auflage Eppingen 1996.