Jüdischer Kulturweg

Der jüdische Friedhof Neudenau

Stadt Neudenau

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Leonhard Baumgartl

Der jüdische Friedhof am Eichklingenweg

Der jüdische Friedhof am Eichklingenweg wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts angelegt. Er weist 244 Grabsteine auf. Der älteste stammt aus dem Jahr 1690 und dokumentiert, dass eine Person namens „Sprinz“ im August jenes Jahres verstorben ist. Ab dem 19. Jahrhundert diente der Ort auch der israelitischen Gemeinde Billigheim und anderen umliegenden Orten als Begräbnisstätte. Im Jahr 1915 wurden 72 Grabsteine von einer Gruppe Schülern umgeworfen und beschädigt – ein trauriger Vorbote dessen, was noch kommen sollte. Mit dem Begräbnis des aus Billigheim stammenden Abraham Strauß, der am 17. Dezember 1937 verstarb, endete die Begräbnistradition an diesem Ort. Wenig zuvor war mit Beschluss des Badischen Staatsministeriums die jüdische Gemeinde aufgelöst worden.

Der älteste erhaltene Grabstein aus dem Jahr 1690 für eine Person namens „Sprinz“. Foto: Margrit Elser-Haft.

Links: Die letzte Beisetzung fand für Abraham Strauß aus Billigheim statt, der am 17. Dezember 1937 verstarb. Foto: Margrit Elser-Haft. Rechts: Der wohl gegen Ende des 17. Jahrhunderts angelegte jüdische Friedhof Neudenau. Die Toten wurden in Reihen und meist streng chronologisch bestattet. Das einzelne Grab gehört dem Toten für alle Zeiten. Foto: Peter Schmelzle.

Der mittelalterliche jüdische Friedhof

Schon zuvor gab es einen jüdischen Friedhof in Neudenau, der bis in mittelalterliche Zeiten zurückreichte und damit zu den ältesten im Heilbronner Raum zählt. Nachdem Jüdinnen und Juden schon seit mindestens zwei Jahrhunderten in der Stadt lebten, wird er in den schriftlichen Quellen erstmals 1492 genannt. In diesem Jahr erteilte Erzbischof Berthold von Mainz der „Judischeit“ in und um Heilbronn, Wimpfen und dem Lande in Schwaben die Erlaubnis, wieder Begräbnisse in Neudenau abzuhalten.
Der mutmaßlich erste jüdische Friedhof in Neudenau war also nicht kontinuierlich belegt worden. Seine Reaktivierung als zentraler Begräbnisplatz dürfte mit den Entwicklungen in der Reichsstadt Heilbronn zusammenhängen. Dort hatte fünf Jahre zuvor Kaiser Friedrich III. die vom Heilbronner Rat betriebene Austreibung der Juden aus der Stadt sanktioniert mit der Folge, dass bis ins 19. Jahrhundert dort keine Juden mehr wohnten. Der mittelalterliche Friedhof in Neudenau wurde spätestens um die Mitte des 17. Jahrhunderts wieder aufgegeben. Wo er genau gelegen war, ist nicht mehr bekannt. Man weiß nur, dass er außerhalb des oberen Tores lag.

Erzbischof Berthold von Mainz erteilt 1492 der „Judischeit“ in und um Heilbronn, Wimpfen und dem Lande in Schwaben die Erlaubnis, wieder Begräbnisse in Neudenau abzuhalten. Staatsarchiv Darmstadt C 1 A Nr. 71 fol. 295 r und v.

Weiterführender Text

Der jüdische Friedhof als Einnahmequelle

Die Gebühren für die Beisetzung auf dem mittelalterlichen jüdischen Friedhof waren schon seit der Urkunde von 1492 klar geregelt: Bei einem Verstorbenen, der über 20 Jahre alt war, hatten die Erben zwei Gulden, bei einem Verstorbenen unter 20 Jahren einen Gulden an den mainzischen Amtmann zu entrichten. Für den Begräbnisplatz waren neun Gulden jährlich an den Amtmann zu zahlen. Dem 1667 angelegten „Jurisdiktionalbuch für Neudenau, Herbolzheim und Stein“ verdanken wir die Information, dass die jüdische Begräbnisstätte zu diesem Zeitpunkt durch den früheren Keller Phillip Vischer, einem Beamten der mainzischen Wirtschaftsverwaltung, bereits „abgeschafft“ worden war. Es ist also davon auszugehen, dass spätestens Mitte des 17. Jahrhunderts die Begräbnistradition an jenem Ort „außerhalb des oberen Tores“ aufgegeben worden war.

Der mittelalterliche Friedhof

Der genaue Wortlaut der Urkunde von 1492 lässt erkennen, dass außerhalb der Stadt Neudenau schon eine jüdische Begräbnisstätte existiert hatte, die lange nicht benutzt worden war und nun erneut in dieser Funktion zur Verfügung stehen sollte.

Erzbischof Berthold von Mainz erteilt im Jahr 1492 der „Judischeit“ in und um Heilbronn, Wimpfen und dem Lande in Schwaben die Erlaubnis, wieder Begräbnisse in Neudenau abzuhalten. Staatsarchiv Darmstadt C 1 A Nr. 71 fol. 295r.

Erzbischof Berthold von Mainz erteilt im Jahr 1492 der „Judischeit“ in und um Heilbronn, Wimpfen und dem Lande in Schwaben die Erlaubnis, wieder Begräbnisse in Neudenau abzuhalten. Staatsarchiv Darmstadt C 1 A Nr. 71 fol. 295v.

Staatsarchiv Darmstadt C 1 A Nr. 71 fol. 296r.

Einzelne Grabsteine und ihre Symbolik

Das einzelne Grab gehört den Toten für alle Zeiten, kein Grab durfte mehrfach belegt werden. Es gibt keinen Blumenschmuck – kleine Steine, aufs Grabmal gelegt, sind Zeichen des Gedenkens. Die Toten wurden in Reihen und meist streng chronologisch bestattet. Das Wichtigste am Grabstein war die Inschrift, die zunächst nur in hebräischer Sprache verfasst war: Angaben zur Person des Toten, Name, Vatersname, bei Frauen der Name des Ehemanns, gelegentlich der Herkunftsort, dann Angabe des Sterbedatums und des Begräbnisdatums, wenn die beiden Daten nicht identisch sind. Das Geburtsdatum wird nicht genannt. Darüber hinaus gab es keine Grenzen, die Verstorbene oder den Verstorbenen zu würdigen.
Neben der Inschrift gibt es weitere gestaltende Elemente. Hierzu zählen Verzierungen wie Säulen, Ranken, Rosetten, Blumen etc. Weitere gestaltende Elemente sind religiöse Symbole wie zum Beispiel Hirsch, siebenarmige Leuchter, Davidstern, Schofar (Widderhorn) und die Levitenkanne sowie nicht-religiöse Symbole wie Namens- und Berufszeichen (Vogel, Äskulapstab). Zu den allgemeinen Symbolen zählen Füllhorn, Baumstumpf und Herz.

Nach dem traditionellen Schema beginnt die Grabinschrift mit der Abkürzung פ”נ = PO NIKBAR (P.N.) für hier liegt begraben oder פ”ט = PO TAMUN (P.T.) für hier ist begraben bzw. hier wurde hingelegt. Das Herz auf dem Grabstein steht für innige Zuneigung und Liebe. Foto: Margrit Elser-Haft.

Die Friedhöfe der jüdischen Landgemeinden liegen meist weit außerhalb der Ortschaften. Zum Schutz vor Eindringlingen und Tieren wurde der Friedhof von einem Zaun und dichten Hecken, nachträglich auch zuweilen von einer Mauer umgeben, wie hier in Neudenau. Foto: Margrit Elser-Haft.
Der jüdische Friedhof am Eichklingenweg im Jahr 2022. Foto: Margrit Elser-Haft.
Der jüdische Friedhof am Eichklingenweg im Jahr 2022. Foto: Margrit Elser-Haft.
Grabstein des Feis Fröhlich, geb. am 14. August 1795 (div.: 17.10.1796), gest. am 20. Juni 1885. Die Levitenkanne weist den Verstorbenen als Zugehörigen des Stammes der Leviten aus. Foto: Margrit Elser-Haft.
Kindergrab des Alfred Haas (Vorder- und Rückseite), geb. am 19. Februar 1891, gest. am 5. Juli 1891. Foto: Margrit Elser-Haft.
Doppelgrab. Foto: Margrit Elser-Haft.
Eine Taube oder auch ein anderer Vogel auf dem Grabstein einer Frau mit dem Namen Vögele oder Zippora (Vogel) wie auch Teibele (Täubchen). Foto: Margrit Elser-Haft.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Staatsarchiv Darmstadt C 1 A Nr. 71
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 177–181.
Artikel zum jüdischen Friedhof in Neudenau auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 07.06.2022].
HAHN Joachim / KRÜGER Jürgen, Synagogen in Baden-Württemberg. Teilband 2, Orte und Einrichtungen von Joachim Hahn. Hrsg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007, S. 346–349.
SCHRENK Christhard, Jüdisches Leben in Heilbronn. Skizzen einer tausendjährigen Geschichte. Heilbronn 2022, S. 29 f.
TADDEY Gerhard (Hg.), Geschützt, geduldet, gleichberechtigt. Die Juden im baden-württembergischen Franken vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs (1918) (= Forschungen aus Württembergisch Franken 52), Ostfildern 2005.