Jüdischer Kulturweg

Der jüdische Friedhof Kochendorf

Stadt Bad Friedrichshall

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Simon M. Haag

Eigener Friedhof seit 1873

Vor 1870 bestattete die Kochendorfer Gemeinde ihre Toten im deutschordischen jüdischen Friedhof Neckarsulm. Gelegentlich sind auch Bestattungen auf dem jüdischen Friedhof im kurmainzischen Neudenau belegt. Da ein jüdisches Grab auf ewig Bestand hat, stieß der Neckarsulmer Friedhof ab 1870 an seine Grenzen. Allein seit 1850 hatte die Kochendorfer Gemeinde dort 22 Kinder und 36 Erwachsene beerdigt. Nach längeren, schon 1869 einsetzenden Vorverhandlungen zwischen dem Israelitischen Kirchenvorsteheramt Kochendorf und dem Kochendorfer Magistrat um die Ausweisung eines Begräbnisplatzes, erwarb die Israelitische Kirchenpflege Anfang Oktober 1871 von jüdischen Vorbesitzern zwei nebeneinanderliegende, schmale Ackerparzellen im Gewann „Mittlerer Pfad“, am Ende der Kappenstraße. Die Gemeinde Kochendorf steuerte ein Drittel des Kaufpreises bei. Das erste Begräbnis auf dem Kochendorfer Friedhof fand 1874 statt. Zu dieser Zeit war die jüdische Gemeinde bereits durch Abwanderungen in größere Städte wie Heilbronn und Stuttgart und Auswanderung nach Amerika geschrumpft.

Plan über die Anlage des jüdischen Friedhofs in Kochendorf, gefertigt 1870. Stadtarchiv Bad Friedrichshall KA 355.

Pogromnacht und Nachkriegszeit

Der jüdische Friedhof in Kochendorf wurde nach 1933 vernachlässigt. In der Pogromnacht 1938 wurden die Grabsteine umgestürzt. 1960 gab die 1933/35 durch den Zusammenschluss der Orte Kochendorf, Jagstfeld und Hagenbach gebildete Stadt Bad Friedrichshall mit finanzieller Unterstützung des Landes Baden-Württemberg dem Friedhof seine würdige Form zurück. Für die vom NS-Regime Ermordeten wurden keine Grabsteine errichtet. Das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg inventarisierte 1988/89 die noch vorhandenen 30 Grabsteine, von denen der älteste aus dem Jahr 1874 stammt und der jüngste von 1916. Sie erinnern an Mitglieder der Familien Cahn/Kahn, Eisig, Falk, Herz, Herzberger, Jaffé, Levi, Maier, Neumann, Oppenheimer, Schleßinger und Weissburger. Außer diesen lebten in Kochendorf die Familien Aaron, Abraham, Amberg, Baruch, Däfele/Defele, Gummersheimer, Gutmann, Hirsch, Jakob, Kallmann, Lazarus, Löw, Maas, Manasse, Mayer, Moses, Nathan, Rosenheimer, Rothschild, Salomon, Schwab, Simon, Stern, Strauß, Süßkind und Weil.

Grabstein der Pauline (Bella) Levi (1861–1877). Foto: Simon M. Haag.

Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 b II; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg: Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg, Fotografien
Stadtarchiv Bad Friedrichshall FZ DBS Koch 2107, KA 355, KA 437

Literatur:
ANGERBAUER Wolfram / FRANK Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn (= Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn 1). Heilbronn 1986, S. 126–133.
Artikel zum jüdischen Friedhof Kochendorf auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 16.04.2021].
FIEẞ Egon, Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Kochendorf. In: Bad Friedrichshall am Neckar, Jagst, Kocher. Bad Friedrichshall 1983, S. 405–429.
HANTSCH Lothar, Juden in Kochendorf. In: Bad Friedrichshall am Neckar, Jagst, Kocher. Bad Friedrichshall 1983. S. 430–436.
Königlich-Württembergisches Hof- und Staatshandbuch. Hrsg. vom Königlich Statistisch-Topographischen Bureau. Stuttgart 1862.
SAUER Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale – Geschichte – Schicksale (= Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18). Stuttgart 1966.