Jüdischer Kulturweg

Das Haus Sternweiler Eppingen

Stadt Eppingen

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Reinhard Ihle

Julius und Liesel Sternweiler

In einem kleinen Fachwerkhaus in der Fleischgasse 5 wohnte das jüdische Ehepaar Julius und Liesel Sternweiler. Julius Sternweiler war Handelsmann und handelte mit Knochen, Tierhäuten, Fellen und kleinen Tieren wie Enten, Gänsen, Hühnern und Kaninchen. Die Sternweilers waren arme, aber geachtete und beliebte Bürger der Stadt. So bezahlte der Eppinger Heimatdichter Johannes Kleinheins dem Julius Sternweiler aus Freundschaft täglich ein Glas Bier im nahen Gasthaus „Zur Altstadt“.
Julius und Liesel Sternweiler wurden zusammen mit dem Ehepaar Siegel als letzte Eppinger Juden am 22. Oktober 1940 verhaftet und nach Gurs in Südfrankreich deportiert, wo sie 1940/41 starben. Das Schicksal dieses jüdischen Ehepaars soll stellvertretend an alle anderen Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens erinnern, die 1933 in Eppingen lebten.
Es soll nie vergessen werden, welches Leid in der Zeit des Nationalsozialismus jüdischen Bürgern unserer Stadt zugefügt wurde.

Wohnhaus von Julius und Liesel Sternweiler, Fleischgasse 5.
Foto: Tilman, 2007.

Weiterführender Text

Petra Binder

Der „ärmste Jude in Eppingen“

Julius Sternweiler war „der ärmste Jude in Eppingen“, wie Manfred Pfefferle in seinen Erinnerungen erzählte. Das kleine Häuschen in der Fleischgasse hatte er von seinen Eltern geerbt, seinen Lebensunterhalt verdiente er mit dem Handel von Kleintieren und Fellen. In der jüdischen Gemeinde übte er das Amt des Synagogendieners aus und genoss trotz seiner Armut ein gutes Ansehen in der Stadt.
Julius Sternweiler war in zweiter Ehe mit Liesel Wertheimer aus Kehl verheiratet. Das kinderlose Ehepaar wurde zusammen mit dem Ehepaar Siegel am 22. Oktober 1940 verhaftet und wie fast die gesamte jüdische Bevölkerung aus Baden nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Keiner der vier überlebte das Lager. Simon Siegel starb bereits am 27. Dezember 1940, seine Ehefrau Berta kurz danach am 30. Januar 1941. Liesel Sternweiler starb am 26. Dezember 1941 und Julius am 3. Januar 1942 im Lager in Récébédou. Ihr Besitz in Eppingen wurde beschlagnahmt und versteigert. Erhalten haben sich nur die Listen mit der „Aufnahme der Fahrnisse“, d.h. des beweglichen Vermögens. Diese wurden üblicherweise nur angefertigt, wenn jemand verstorben war.

Verzeichnis über die Aufnahme der „Fahrnisse“ des Ehepaars Julius und Liesel Sternweiler, die sie bei der Deportation nach Gurs in Südfrankreich zurücklassen mussten, erstellt 1940. Stadtarchiv Eppingen Ep A 2321.

"Un ebbes Bsunders"

Früher wurden viele Kaninchen zum Schlachten gehalten. Kinder brachten das Fell eines geschlachteten Tieres zum Sternweiler. Julius Sternweiler zahlte diesen dann für ein Kaninchenfell, je nach Marktlage, zehn oder zwanzig Pfennige, für ein großes auch einmal dreißig Pfennige. Für das Fell eines Feldhasen zahlte er immer zehn Pfennige mehr. Ein Zehner oder gar zwei waren für ein Kind in einer Zeit, in der man den Begriff Taschengeld nicht kannte, etwas Besonderes. So war man stets glücklich, wenn man zum Sternweiler ein Hasenfell bringen konnte.
Wenn die Kinder den Julius Sternweiler auf der Straße sahen, dann riefen sie oft: „Lausbub, Lausbub, lass die Gickla laafa, morge kummt de Sternweiler und will die Gickla kaafa!“

Literatur

BINDER Petra / IHLE Reinhard, Eppingen erleben. Fachwerkstadt mit Pfiff. Ubstadt-Weiher 2021.
PFEFFERLE Manfred, Wie’s halt war. Geschichten aus Eppingen (= Die Besondere Reihe 3). Eppingen 2001, S. 109 ff.
RÖCKER Bernd / HEITZ Michael (Redaktion), Jüdisches Leben im Kraichgau. Zur Geschichte der Eppinger Juden
und ihrer Familien (= Die Besondere Reihe 5). Eppingen 2006.