Die Burg Stettenfels und Siegfried Levi
Siegfried Levi wurde am 6. Februar 1880 als Sohn von Raphael Levi und Mathilde geb. Ottenheimer in Stuttgart geboren. Die Familie Levi war im Leder- und Schuhhandel tätig. Als 1930 die Salamander AG gegründet wurde, besaß sie die Hälfte der Geschäftsanteile.
Im Mai 1924 erwarb Siegfried Levi Burg Stettenfels, wo er bald mit seiner späteren Ehefrau Hedwig Kyanowski lebte. Neben der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Güter betrieb er ein erfolgreiches Gestüt. Im Ort engagierte er sich als Mitglied des Gesang- und des Kriegervereins. Wegen der Unterstützung Erwerbsloser und anderer Bedürftiger und aufgrund einer großzügigen Spende für die Kriegerdenkmäler in Abstatt und Untergruppenbach wurde Levi 1926/27 in den beiden Gemeinden zum Ehrenbürger ernannt.
Unternehmer, Schlossbesitzer und Bürger von Untergruppenbach
Siegfried Levi war ein im Leder- und Schuhhandel tätiger erfolgreicher Unternehmer. Neben seinem Sitz im Aufsichtsrat der Salamander AG gehörten ihm die Schuhfabrik Luwal im brandenburgischen Luckenwalde und anteilig die Württembergische Schuhfabrik in Faurndau.
In der Gemeinde war Siegfried Levi schnell angekommen: Er war Arbeitgeber für Männer und Frauen aus dem Dorf und Mitglied im Gesangverein „Liederkranz“ sowie im Kriegerverein. Über seine Weihnachtsgeschenke freuten sich Kindergartenkinder und Bedürftige. Die jüdische Gemeinde Talheim ernannte ihn aufgrund einer Spende zugunsten ihrer Synagoge zu ihrem Ehrenmitglied.
Levis Leidenschaften
Siegfried Levis persönliche Leidenschaften galten der Jagd und Pferden. Auf dem Stettenfels hatte er ein Grundstück für ein Gestüt gefunden, das sich aus kleinen Anfängen mit sechs im Erdgeschoss der Burg untergebrachten Turnierpferden bald zu einer großen und bekannten Anlage mit 120 Pferden, Stallungen und einer Reithalle entwickelte.
Ausgrenzung
Durch das „Heilbronner Tagblatt“ öffentlich angegriffen, zog sich Siegfried Levi 1932 mit seiner Familie nach Stuttgart zurück. Drei Tage nach der Einsetzung des neuen – gleichgeschalteten – Untergruppenbacher Gemeinderats, am 9. Oktober 1933, wurde ihm die Ehrenbürgerschaft wieder entzogen. Der Heilbronner NSDAP-Kreisleiter Richard Drauz forderte Levi im März 1934 auf, die Burg Stettenfels „durch hochherzige Stiftung der Bewegung zu schenken“. Unter Zwang verkaufte er sie 1937 schließlich weit unter Wert an die Stadt Heilbronn und wanderte mit seiner Familie nach Südwestafrika aus. Die Stadt verkaufte die Burg 1939 wiederum an die NSDAP, die ein Schulungsheim für die Deutsche Arbeitsfront einrichtete.
Laut Vertrag vom 24. Mai 1924 erwarben Siegfried Levi und Gustav Bücheler, Landwirt in Stuttgart die Burg Stettenfels um 200.000 Mark von den Erben der Ehefrau des Oberst Otto von Haldenwang.
Nach der Übernahme baute Levi unter anderem in die Burg eine Zentralheizung, einen großen Jagdsaal und gekachelte Bäder mit Marmorwannen ein.
1945 kam der Stettenfels unter amerikanische Verwaltung. Siegfried Levi starb am 13. Oktober 1954 in Johannesburg, 1957 verkaufte seine Witwe den Stettenfels. Seit den 1990er-Jahren erinnert in Untergruppenbach die Siegfried-Levi-Straße an den Unternehmer und ehemaligen Schlossbesitzer.
Weiterführender Text
Nationalsozialismus und Emigration nach Südwestafrika
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise musste Siegfried Levi die meisten seiner Pferde und einen Teil seiner landwirtschaftlichen Grundstücke verkaufen. Wie in Untergruppenbach wurde Siegfried Levi 1933 auch die Ehrenbürgerwürde von Abstatt entzogen, wo die Aberkennung mit Levis „nichtarischer Abstammung“ begründet wurde. 1937 verließ Levi Deutschland in Richtung Südwestafrika, dem heutigen Namibia, wo er mehrere Farmen erwarb und bewirtschaftete.
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg war auf der Burg Stettenfels kurzzeitig ein Altersheim für Flüchtlinge eingerichtet worden. Zudem wurden Freizeiten für Konfirmanden des Bezirks Heilbronn abgehalten. Noch im März 1953 wurden einhundert Flüchtlinge im Hauptbau untergebracht, obwohl Siegfried Levi bereits in November 1948 einen Rückerstattungsanspruch angemeldet hatte. Da sich der Antragsteller und die Stadt Heilbronn sowie das Land Württemberg-Baden (als Rechtsnachfolger der NSDAP) als Antragsgegner nicht gütlich einigen konnten, kam es 1951 zu einem Teilbeschluss des Landgerichts Stuttgart, wonach Siegfried Levi alle seine vormaligen Grundstücke gegen den Kaufpreis von 1937 zurückzuerstatten waren.
Seit 1994 ist Schloss Stettenfels im Besitz der Familie Weimar, die dort eine Tagungs- und Veranstaltungsstätte etabliert hat. In Untergruppenbach erinnert seit den 1990er-Jahren eine Siegfried-Levi-Straße an den ehemaligen hoch geachteten Unternehmer und Schlossbesitzer.
Quellen und Literatur
Ungedruckte Quellen:
Gemeindearchiv Untergruppenbach R 118, B 65, 66, 67, B 194, B 247, A 486, A 494
Nationalarchiv Windhoek BIN 088 43070 Vol. 1
Literatur:
Artikel zu Talheim auf der Internetseite der Alemannia Judaica; Link öffnen [Abruf am 24.04.2022].
EISENMANN Friedrich, Siegfried Levi als Schlossherr auf Burg Stettenfels. In: Kornwestheimer Geschichte. Hrsg. vom Verein für Geschichte und Heimatpflege Kornwestheim e.V. Jg. 1, 2013, S. 34–42; https://www. Link öffnen.
FRANK Jakob Rudolf, Burg Stettenfels über Gruppenbach bei Heilbronn. Stuttgart 1958.
Heimatgruss von Untergruppenbach und Stettenfels, Donnbronn, Obergruppenbach, Happenbach, Wüstenhausen (Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg - Ortsbeilage), Mai 1953.
Untergruppenbach: Heimatbuch der Gemeinde Untergruppenbach. Bearbeitet von Wilfried Sehm. Stuttgart 1992.